Wir sind nun gut zwei Monate in der Karibik. Viel Zeit habe ich gebraucht, um mich psychisch von der Überfahrt zu erholen und mich mit der Karibik anzufreunden. Rein objektiv betrachtet war die Passage über den Atlantik sicher moderat und sie verlief ohne Zwischenfälle. Das heißt aber trotzdem nicht, dass sie angenehm war oder Spaß gemacht hat.
Das ewige Hin und Her des Schiffes vor dem Wind war in den ersten sieben Tagen noch einigermaßen erträglich, das Pendeln gleichmäßig und man gewöhnt sich daran festgeklemmt in der Plicht im Sekundentakt abwechselnd nur Meer oder nur Himmel zu sehen. Unter Deck lässt es sich in der Grätsche oder im Ausfallschritt mit mindestens einen Meter Abstand zwischen den Füssen auch ganz gut manövrieren. Allein das Klogehen ist immer eine Herausforderung, weil man ja die stabile Position des Ausfallschrittes aufgeben muss. Das will immer gut abgepasst sein. Schlafen ist auch nicht einfach, denn der gesamte Körper rutscht auf der auf dem Untergrund aufliegenden Haut hin und her. Man kommt sich vor als würde man sich von innen her wund schubbern.
Das allein ist über die Tage schon zermürbend genug. Einzige Abwechslung boten die grazilen Tropikvögel, die hunderte von Seemeilen von Land ihren Lebensraum haben und immer mal wieder neugierig vorbeischauten und das Schiff umkreisten.
Dann kam aber die zweite Hälfte der Passage deutlich mehr Wind und höhere Wellen mit recht kurzer Wellenlänge. Der Rhythmus des Pendelns wurde nun regelmäßig durch Vorwärts-Kreisbeschleunigung überlagert. Eine Bewegung, die sich immer mit einem Knall ankündigte als hätte eine Abrissbirne aufgeschlagen, wenn die Wellen von hinten seitlich gegen das Schiff schlugen. Die ganze Bewegung endet dann immer abrupt in einem Wellental und dann geht’s von vorne los. Sieben Tage soviel Karussell, das ist echt zermürbend. Alles fliegt durch die Gegend und neben dem Ausfallschritt braucht man immer beide Hände, um sich festzuhalten, so das jede Tätigkeit mit Akrobatik verbunden ist. Nach so einer Fahrt weiß man zu schätzen, wenn die Dinge einfach mal da bleiben, wo man sie abgestellt oder hingelegt hat.
Als wir dann in der Karibik angekommen waren, befiel mich eine trübe Stimmung und ich dachte, es ist in der Tat wie in dem Song von Ideal: Monotonie in der Südsee, Melancholie bei 30 Grad – und irgendwie so belanglos. Die Hitze macht träge und Schatten ist rar, wenn man nicht gerade im Regenwald unterwegs ist. So kostet es oft Kraft, etwas zu unternehmen. Aber dann kam Besuch und mit dem Besuch kam die Energie zurück und es gab dann soviel zu entdecken.
Wir haben nun schon sechs verschiedene Inseln besucht. So nah beieinander, so gleich und doch so verschieden. Alle Inseln haben an der Westseite Ankerbuchten, oft mit schmalen Sandstränden, die von Palmen gesäumt sind. Man kann sich über kurze Distanzen von Bucht zu Bucht hangeln und bei guten Bedingungen macht man den kurzen Schlag von vier bis fünf Stunden über das offenen Meer zur nächsten Insel, hinter der man dann wieder geschützt liegt. Das ist wirklich sehr angenehmes Segeln.
Auf jeder neuen Insel erwartet einen dann eine ganz andere Mentalität. Auf Saint Lucia waren die Leute forsch und kraftvoll und die Hauptstadt Castries war quirlig und geschäftig und hat Charakter und ihren eigenen Charme. Gern gehörte Musik war auf Saint Lucia zu unserer Überraschung Country, zu dem die Markfrauen getanzt haben und der in jedem Bus lief. Das Bussystem ist schwer zu durchschauen, aber man kommt damit gut und sicher über die Insel, wenn man den richtigen gefunden hat.
Martinique ist so ganz anders. Französisch und EU und daher irgendwie eher vertraut. Die Insel ist viel touristischer und die Ankerbuchten voller, aber es hat auch mehr Strandbars und Karibikfeeling zu bieten. In jeder Bucht ist laute Musik. Die Hauptstadt Fort de France ist allerdings ein wenig enttäuschend, gut für die Logistik aber sonst eher charakterlos und abends ausgestorben.
Dominica präsentiert sich dann wieder mit ganz eigenem Charme. Die Insel ist viel ärmer als Saint Lucia und die Leute dort sind viel entspannter. Man grüßt sich und man grüßt auch die Besucher. Man bietet gerne seine Dienstleistungen an, ist dabei aber nie aufdringlich. Die Stimmung ist gut, im Bus läuft das lokale Radio und überträgt eine flammende Rede des Premierministers für die Demokratie, die so manch anderem Regierenden auch gut zu Gesicht stünde. Und nirgends ist die Musik so laut und nirgends wurde bisher soviel gekifft wie auf Dominica. Sicher mal die Hälfte der männlichen Bevölkerung ist dauerbreit und scheint von der Hand in den Mund zu leben. Bei den Frauen ist der Anteil Nüchterner und Geschäftstätiger höher.
Eine super Dienstleistungsorganisation für Segler gibt es in Portsmouth im Norden von Dominica. Boatboys und Tourist Guides, die früher alle auf eigene Faust versucht haben, den Seglern Moorings und Services zu verkaufen, haben sich zu einer Non-Profit Organisation PAYS (Portsmouth Association of Yacht Services) , zusammengetan und bewirtschaften ein Mooring-Feld. Wenn man kommt, wird man von einem der PAYS Mitglieder begrüßt, bekommt eine Mooring zugewiesen und natürlich weitere Dienste wie Ausflüge und Wanderungen angeboten. Davon sollte man dann gerne auch ein oder zwei in Anspruch nehmen, auch wenn sie recht teuer sind. Die Mooring Gebühren gehen an die Non-Profit Organisation. Die Einnahmen der Ausflüge sind privat. Nachts fährt jemand mit dem Boot und Scheinwerfer durchs Mooring-Feld und sorgt für Sicherheit. Ein netter Kerl, der sich einen Abend zu uns auf ein Bier gesellte, um ein wenig zu schwatzen. Alles sehr gastfreundlich.
Die Insel ist dicht mit Regenwald bewachsen und eigentlich unzugänglich. Es soll einen durchgehenden Wanderweg geben, aber der Teil, den wir uns davon anschauen wollten war nicht wirklich existent. Insofern bleiben dort ein paar bekannte Touren zu Wasserfällen und dem Boiling Lake, für die die Einheimischen sich gerne als Guide verdienen. Dominica im Kern selbst zu erkunden ist schwierig.
Tückisch sind die Geldautomaten auf Dominica. Sie verweigern oft die Geldausgabe und verschlucken sehr gerne Karten. Sowohl Jan wie auch Sabine sind ereilt worden und mussten am nächsten Tag zur Bank und sich ausweisen, um ihre Karte wiederzubekommen.
Mittlerweile sind wir auf Guadeloupe und den dazugehörigen kleineren Inseln. Auf dem Weg von Dominica Richtung Norden liegen zunächst die Iles des Saintes, ein hübsches kleines Archipel. Viele Tagestouristen bevölkern die Hauptinsel, vor der wir einige Tage lagen. Auf den Inseln ist man wieder in Euroland und es sind fast ausnahmslos Franzosen unterwegs. Es gibt viel Shopping und Restaurants. Die kurze Ringstraße ist mit jeder Menge Golfcarts und anderen Elektromobilen bevölkert. Zu niedrig für Regenwald sind sie von Buschwerk geprägt, durch das man schöne kleine Wanderungen auf die einzelnen Hügel der Insel machen kann.
Von den Iles sind wir anschließend nach Pointe-a-Pitre auf Guadeloupe und haben dort in der Marina Karin an Bord genommen und uns wieder neu verproviantiert. Guadeloupe scheint die für Wanderer am besten geeignete Insel zu sein. Es gibt recht viele ausgeschilderte Wanderwege und man kommt ohne Führung aus. La Grande Soufriere, ein qualmender Vulkan mit entsprechend Schwefelaroma ist zwar ein wenig überlaufen, aber trotzdem eine Wanderung wert.
Jetzt liegen wir südlich von Guadeloupe vor Marie-Galante und Jan und Karin erkunden die Insel gerade mit dem Fahrrad. Morgen geht’s wieder weiter zur nächsten schönen Ankerbucht.
So verschieden die Inseln sind, sie teilen leider alle das gleiche Schicksal. An ihren östlichen Stränden sammeln sich große Mengen von Sargassum, einer eigentlich ganz hübschen Braunalge. Die Algen haben sich in den letzten zehn Jahren auf dem Atlantik außergewöhnlich stark vermehrt. Dort sind sie für Segler ein Ärgernis, aber für die Inseln sind sie fatal. Sie treiben in großen Mengen mit dem Passatwind vom Atlantik an die Küsten und bilden breite Gürtel und verrottende Berge am Strand. Die Strände stinken teils wirklich schlimm, sind unbrauchbar, verlassen und verwahrlost. Schade, so bleiben zum Baden immer nur die Weststrände, an denen es ja in der Regel keine Brandung gibt und das Baden daher nur halb so schön ist.
Einen weiteren Mitbewohner haben wir übrigens seit kurzen auf der Sutje. Ein kleiner Gecko hat sich bei uns niedergelassen taucht abends immer mal wieder in der Plicht auf.
Hallo ihr Beiden, schön Petra, dass du den Segel-Blues überwunden hast. Ich kann das gut nachvollziehen mit dem schlimmen Geschaukel und dem ungemütlichen Schlafen. Das geht auf die Knochen und der Schlafmangel dann auf die Psyche.
Interessant, das die Inseln, obwohl nah beieinander , so unterschiedlich ausgeprägt sind. Wenn ihr auf den 1467 m hohen Berg von unten hoch gelaufen seid, dann sende ich hiermit meinen sehr großen Respekt. Das ist stramm.
Erst mal weiter alles Gute . Liebe Grüße Reinhard
1467 m waren es nicht, nur ca. 600 m ab Parkplatz. War anstrengend genug bei Wegbeschaffenheit und Klima.
Tausend Dank für den lebendigen Bericht von der Überfahrt und der Zeit in der Karibik – mit allen Höhen und Tiefen. Diese Mischung macht gerade diesen Bericht so ganz besonders wertvoll… und spiegelt so schön das „abwechselnd nur Meer oder nur Himmel zu sehen“ von der Überfahrt wider.
Schön, dass ihr uns an allem so teilhaben lasst. Ich freue mich immer auf Neuigkeiten aus der „Neuen Welt“ – voller Bewunderung für all das, was ihr da macht.
Also, ich ziehe mal wieder meinen Hut und freue mich auf alles, was kommt.
Lasst es euch gut gehen!
Eure liddelsistaplusfamilie
Liebe Petra & Jan, liebe Karin, lieber 🦎
1000 Dank für den interessanten Bericht und vor allem die wunderschönen Fotos!! Ich finds auch immer spannend, wenn die Biologin in Petra berichtet!
Ja so eine Überquerung hat es in sich und ich muss Euch sehr bewundern für Euren Mut, Ausdauer und Eure Mägen. Ich wär wahrscheinlich 3 Wochen über der Reling gehangen 🤣
Wir wünschen Euch weiterhin eine tolle Zeit, genießt in vollen Zügen – wir sind hier zwischen Winter und Frühling und mitunter pfeift der Wind recht frisch.
Ganz liebe Grüße von den Hofoldingern