Wetter-Routing

Hier geht es mal nicht um Segel-, Wander-, Reparatur- oder Kocherlebnisse, sondern darum, wie wir unsere Wetterberichte abholen und den besten Weg von A nach B planen.

Früher waren die Wetterberichte recht einfach gehalten. So gab es vom Wetterdienst des jeweiligen Landes 1-2 mal täglich Berichte, die über UKW-Sprechfunk oder den weiterreichenden Kurzwellenfunk verbreitet wurden.

Das ganze sah z.B. so aus:

Vorhersage gültig bis Sonnabend Abend:

Deutsche Bucht:  
Wechselnde Richtungen 3 bis 5, vorübergehend west- bis 
südwestdrehend, süddrehend, abnehmend um 3, später schwach 
umlaufend Gewitterböen, See 1 Meter. 

Aussichten gültig bis Sonntag Abend:

Deutsche Bucht:    
Schwach umlaufend, vorübergehend wechselnde Richtungen 3 
bis 5, später südliche Winde um 3. 

Damit – und mit der allgemeinen Wetterlage, also wo gerade welche Hochs und Tiefs unterwegs sind – konnte man sich dann überlegen, ob und wann es Sinn macht auszulaufen, um von A nach B zu kommen.

Heute gibt es dafür Computermodelle, die mehrfach täglich durchgerechnet werden. Diese legen ein ziemlich engmaschiges Raster über die Welt und berechnen für die Knotenpunkte Dinge wie Windrichtung, Windstärke, Böigkeit, Dünung usw. und wie diese sich über die Zeit verändern.

Für den Sonnabend im Beispiel oben um 13:00 sieht eine Modellrechnung dann z.B. so aus:

Daraus läßt sich also schon deutlich mehr ablesen als aus dem Textbeispiel. Wobei man immer im Hinterkopf behalten muss, dass es eine Vorhersage bleibt – es kann so kommen, muss es aber nicht. Im grossen und ganzen haben wir aber festgestellt, dass der Vorhersagebereich der nächsten 1-2 Tage meist schon ganz gut passt.

Von diesen Modellen gibt es eine ganze Reihe, kostenlose und kostenpflichtige.

  • Das GFS-Modell wird vom US-Wetterdienst kostenlos zur Verfügung gestellt.
  • ECMWF kommt vom Europäischen Wetterdienst und ist kostenpflichtig. Allerdings kommt man auch kostenlos an die Ergebnisse, z.B. über den Anbieter Windy, der die Daten lizensiert hat und sowohl auf der Webseite als auch über mobile Apps sehr schön präsentiert.
  • Daneben gibt es noch eine ganze Reihe weiterer nationaler Wetterdienste, die ihre eigenen Modelle betreiben.
  • Last but not least gibt es gewerbliche „Datenveredler“, die die Ergebnisse vorhandener Wettermodelle nochmals durch ihre eigenen Algorithmen schicken. Vertreter hierfür sind Meno Schraders Wetterwelt oder PredictWind.

Wir leisten uns momentan den Luxus, neben GFS und ECMWF beide Veredler Wetterwelt und PredictWind abonniert zu haben, um zu schauen, welche Anbieter besser zur Realität passen. Noch zeichnet sich aber kein Gewinner ab, mal ist das eine Modell besser, mal das andere. In den meisten Fällen hätte das kostenlose GFS-Modell gereicht, machmal war es aber doch gut, einem anderen Modell mehr zu glauben – vor allem wenn mehrere andere ähnliche Ergebnisse zeigen, die nicht zu GFS passen.

Was machen wir nun mit diesen Wetterdaten, d.h. wie finden wir einen guten Abfahrtszeitpunkt und eine gute Strecke, um von A nach B zu kommen.

Dazu nutzen wir das Programm mit dem sehr eingängigen Namen Qtvlm.

Dieses Programm bekommt zum einen die Wetterdaten, zum anderen ist dort auch ein sog. Polardiagramm für unser Schiff hinterlegt. Aus diesem Diagramm lässt sich ablesen, mit welcher Geschwindigkeit wir bei einem bestimmten Windeinfallwinkel und einer bestimmten Windstärke unterwegs sind. Vielen Dank an Manfred vom Schwesterschiff Auriga, der uns das Polardiagramm zur Verfügung gestellt hat.

Der nächste Schritt in der Planung ist, einen guten Abfahrtzeitpunkt zu finden. Dazu sagt man der Software, dass sie eine Route berechnen soll für ersten Startzeitpunkt sowie X weitere Routen in einem bestimmten zeitlichen Abstand.

Im folgenden Beispiel wurde mal berechnet, wie wir bei aktuellen Wetterbedingungen von Borkum nach Hörnum auf Sylt kommen. Das Ergebnis sieht so aus:

Die Reisezeit bewegt sich im Bereich von 28 Stunden (schwarze Route, Start am 27.6. um 10:00) bis 51 Stunden (rote Route, Start am 26.6.). Damit hätten wir bezüglich Wind mit der schwarzen Route einen relativ guten Startzeitpunkt gefunden. Jetzt bleibt – zumindest für die geplante Reisegegend – zu prüfen, ob da irgendwelche Verkehrstrennungsgebiete oder Offshore-Windanlagen im Weg stehen (2x ja) und ob die Gezeiten passen. Dieser Schritt erübrigt sich für uns aktuell, denn zwischen Madeira und den Azoren sind nur 500 Meilen Wasser, sonst nichts.

Anmerkung für die Kenner von PredictWind: es ist bekannt, dass PredictWind auch ein Routing machen kann. Leider haben die einen Bug in ihrer Software bei der Auswertung des Polardiagrams. Deren Customer Support hat den Fehler bestätigt, aber nach vier Monaten ist das Problem noch nicht gelöst.

Wie kommen die Wetterdaten ins Schiff , wenn wir auf See sind? Bei einer mehrtägigen Reise wollen wir natürlich nicht nur einmal vor der Abfahrt planen und dann zum Ziel durchfahren, sondern 1-2 mal pro Tag schauen, wie sich die Vorhersagen geändert haben.

Solange wir noch küstennah unterwegs sind, funktioniert Mobilfunk auf den Kanaren und Madeira relativ gut. Auch 20 sm von der Küste entfernt hatten wir teils Mobilempfang. Weiter draussen geht das natürlich nicht.

Dazu haben wir zwei Geräte an Bord:

  • Ein SSB-Funkgerät (Single Side Band, Kurzwelle) mit Pactor-Modem. Das ganze kann man sich so vorstellen wie die Anfangszeit der Computerei, wo eine Datenverbindung über die Telefonleitung aufgebaut wurde. Das ist bei SSB genauso, nur dass über Funk gepiepst wird. Eine Datenverbindung über SSB funktioniert nicht immer, man muss immer schauen, welche Landstation zu welcher Uhrzeit auf welcher Frequenz erreichbar sein könnte. Auch dauert eine Übertragung elendig lange, die Bytes tröpfeln nur.
  • Ein Iridium-Satellitengerät. Dies funktioniert deutlich schneller und einfacher als SSB, kostet monatlich aber auch deutlich mehr. Iridium haben wir nur in Benutzung, wenn längere Seepassagen anstehen – nicht nur für Wetter, sondern auch für den Notfall.

Auf unserer Fahrt von Madeira nach Santa Maria auf den Azoren hat das Routing beeindruckend gut funktioniert. Wir sind quasi an der geplanten Route entlanggefahren. Natürlich gab es kleinere Abweichungen. Mal fiel der Wind 10-15 Grad achterlicher ein als vorhergesagt, mal kam ein Winddreher zwei Stunden später als vorhergesagt, mal war der Wind 5 Knoten stärker.