Eine ruhige Überfahrt und doch ist immer irgendwas

Wir sind nun schon vor einer Woche, am 29.12.23 hier in Cartagena, Kolumbien angekommen. Die Passage von Martinique war vom Wetter her ruhig und meistenteils war das Segeln sehr angenehm. Wir sind zügig vorangekommen und waren am Ende nur sieben Nächte unterwegs und damit fast zwei Tage früher als geplant in Cartagena. Und trotz der guten Bedingungen war es auch diesmal physisch und psychisch anstrengend.

Letzter Abend in St. Anne, Martinique

Für die Ankunft in Cartagena hatten wir uns in Sachen Zoll und Immigration schon von Martinique aus vorbereitet. Meist haben wir es bisher so kennengelernt, dass man einfach in das Land segelt, in das man möchte und dann der Skipper mit allen Papieren bewaffnet zu den Ämtern geht und Crew und Schiff anmeldet. Je nach Land kann das 20 Minuten dauern oder sechs Stunden. In Cartagena war alles anders. Hier muss man einen Agenten vor Abfahrt beauftragen und mit vielen Informationen versorgen, der dann alles weitere macht. Nach Ankunft werden dem Agenten nur die Pässe übergeben. Er geht dann zu den Ämtern und bringt die gestempelten Pässe nach wenigen Stunden zurück. So hatten wir es sehr bequem so ganz ohne Ämtermarathon, aber mit über 300 USD auch nicht preiswert.

Am Tag der Abfahrt von Martinique am 22.12. war zunächst kurz unklar, ob wir überhaupt lossegeln können, denn die elektrische Ankerwinsch tat nicht mehr. Mitten beim Anker Heben versagte die Technik und Jan musste den noch verbliebenen Rest der Kette mit eigener Kraft hochwinschen. Dann mussten wir erstmal schauen, was die Ursache für den Ausfall war, denn ohne funktionierende elektrische Winsch war für uns das Sicherheitsrisiko zu groß. In der Karibik hätten wir noch fast alle Ersatzteile bekommen, in Kolumbien waren wir uns da nicht so sicher. Tobi fuhr entspannt Kreise im Ankerfeld, Jan machte sich an die Fehlersuche für den Ausfall und ich hab mich im Wesentlichen darauf konzentriert, nicht zu genervt zu sein, war also keine Hilfe.

Die Ursache war nach geraumer Zeit gefunden: es war die elektrische Bedienung für die Winsch. Das ist so ein recht robuster gelber Knochen mit einem Aufwärts- und einem Abwärtsknopf und einem Kabel, das man vorne an der Ankerwinsch einsteckt. Der Knochen aus italienischer Produktion für den Industriebedarf hat dem Seewasser nicht standgehalten, obwohl er eigentlich gegen Strahlwasser aus der Düse dicht hätte sein sollen. Wir hatten glücklicherweise noch eine chinesische elektronische Funkfernbedienung und nach ein paar Versuchen war klar, dass die die Aufgabe übernehmen konnte und wir sind losgesegelt.

Die 1000 Seemeilen nach Kolumbien sind wir dann gemütlich und doch zügig mit unterschiedlicher Besegelung vor dem Wind gesegelt. Schmetterling mit Groß und ausgebaumtem Yankee oder zwei ausgebaumte Vorsegel oder Parasailor – alles kam mal dran und wir haben je nach Windstärke und Einfallwinkel mehrfach aufgebaut, umgebaut und abgebaut. Der Parasailor musste mal schnell runter, weil die Windsteueranlage dummerweise eine Halse gefahren ist und das Ding sich um sich selbst gewickelt hatte, wir also da vorne die klassische Sanduhr hängen hatten, die sich leider auch nicht entwirren ließ. Auch Nachts mussten wir den Parasailor bergen, weil zu viel Wind war. Aber mit der Zeit spielte sich alles gut ein und die Manöver funktionierten immer besser. Übung hilft.

Der Nutzen des Parasailors wird unter Seglern immer wieder gerne diskutiert. Das Segel ist nicht ganz billig und hat dafür ein sehr eingeschränktes Einsatzgebiet. Wir waren jetzt aber sehr froh, das Segel gehabt zu haben, denn bei schwachen Winden sind wir sehr ruhig und zügig vorangekommen, viel entspannter als mit traditioneller Besegelung. Und zu dritt lassen sich die 150 m² auch gut handhaben, während es zu zweit zwar funktioniert, aber meist eine Herausforderung ist.

Parasailor
Schmetterling

Unterwegs hatten wir dann noch einen Wassereinbruch. Über die Ruderanlage sickerte Wasser in das Schiff und der Alarm ging los. Das Ruder war in der Werft ja ausgebaut worden und wir haben nach dem Einbau zwar heftig Fett in die Ruderachse gedrückt, aber wohl doch nicht genug. So musste unterwegs erstmal auch hier die Ursache gefunden und dann noch mehrfach ordentlich nachgefettet werden. Und dann musste das eingedrungenen Wasser ja auch gerne wieder raus. Nachfetten geht unter der Achterkoje, dort war also alles aufgerissen. Und der Nasssauger ist unter der Vorschiffskoje. Das musste also auch mal alles auseinandergebaut werden. Wir segelten also erstmal wieder auf einer Baustelle und die Freiwache wünscht man sich auch geruhsamer und ohne derartige Aktivitäten unter Deck bei schaukelndem Schiff.

Ansonsten hatten wir dann nur noch einen kleinen Herdbrand, weil ich übersehen hatte, das eine der hitzebeständigen Untersetzer unter der Pfanne klebte, als ich die auf den Herd gestellt hab. War nicht so ganz hitzebeständig, war aber auch dank der fixen Reaktion von Jan schnell gelöscht und hat auf unserem Dieselherd keine bleibenden Schäden hinterlassen. Ansonsten war die Fahrt ruhig.

Unterwegs hatten wir zweimal Besuch von einem Vogel. An Weihnachten ist abends eine kleine Schwalbe bei uns gelandet und hat Zuflucht im Schiff gesucht. Im Gemüsenetz hat sie dann die Nacht über friedlich gehockt, beim Wachwechsel von Tobi zu mir um 2 Uhr hat sie noch gezwitschert, morgens war sie dann leider tot und aus dem Netz gefallen. Besser erging es dem Rotfußtölpel ein paar Tage später. Der landete während Jans Wache am späten Abend mit lautem Plums auf der Kuchenbude und hat sich dann über Nacht an mehreren Stellen immer mal wieder einen neuen Sitzplatz gesucht. Vollkommen entspannt hockte er teils kaum einen Meter von uns entfernt, Kopf unter das Gefieder gesteckt und hat geschlummert und sich auch nicht durch unsere seglerisch notwendigen Aktivitäten stören lassen. Mit Sonnenaufgang hat er sich gereckt, gegähnt – es ist nett zu sehen, wie ähnlich das Aufwachverhalten zu unserem ist – und hat sich dann auf seinen Weg gemacht. Allerdings mussten wir für den Genuss seiner Gesellschaft dann ordentlich putzen. Es ist beeindruckend, was so ein Vogel über Nacht zusammenscheißt.

So sind wir also über die Karibik nach Westen geschippert, Nachts vor der venezolanischen Küste ohne AIS (damit macht man sich elektronisch für andere Schiffe sichtbar und sieht auch andere, die so etwa haben), damit wir kein Ziel für venezolanische Fischer bieten, die sich wohl immer mal wieder für die Wertsachen vorbeikommender Segler interessieren. Hier und da sind wir Tankern von und nach Houston und Schiffen auf dem Weg zum Panamakanal begegnet und haben dann AIS kurz wieder eingeschaltet. Sonst war wenig Schiffsverkehr. Ein Frachter aus Hamburg auf dem Weg nach Santa Marta war auch dabei.

Vor Cartagena sind wir mitten in der Nacht angekommen. Cartagena hat zwei Einfahren, eine ganz schmale für kleine Schiffe. Da haben sie früher mal die ganze Bucht mit einer Unterwassermauer gegen Feinde abgeschottet und nur eine kleine Durchfahrt gelassen. Diese Einfahrt wollten wir nehmen, weil wir sonst noch einen Umweg von 20 Seemeilen hätten fahren müssen. Mitten in der Nacht wollten wir in die kleinen Durchfahrt aber nicht rein und so haben wir ein paar Stunden vor der Küste beigelegen (geparkt) und sind langsam auf die Stadt zugetrieben. Mit Sonnenaufgang tat sich dann eine beeindruckende Skyline auf, mit der man so gar nicht rechnet, wenn man von den Karibischen Inseln kommt.

Nachdem wir diese umschifft hatten, haben wir dann vor der Altstadt Anker geworfen und erstmal gefrühstückt. Ruhig war da aber nichts. Eine nicht enden wollende Schar von Wassertaxis, Ausflugsbooten und Minifähren wühlt dort das Wasser auf, alle haben laute, sehr laute Musik und viele fahren kaum einen Meter am Heck vorbei. Das gab schon einen ersten, fröhlichen Eindruck von Cartagena als Partystadt.

Und so ist es in der Tat. Hier scheint einer der Hot Spots der internationalen Backpacker-Scene zu sein. Getsemani, ein in den letzten 20 Jahren aufgehübschter Stadtteil mit netten schmalen Gassen, bunten Häuschen und viel Streetart lädt hier jeden Abend zur großen Freiluftparty ein. Streetfood, mobile Cocktail Bars und fliegende Bierhändler versorgen die feiernde Menge und es macht richtig Spaß da mitzumachen. Selbst Silvester war extrem entspannt und friedlich. Polizei ist unaufgeregt und doch überall präsent, wird respektiert, geachtet und freundlich begrüßt. Alle haben gute Laune, keiner böllert rum oder ist aggressiv. Schön zu sehen, dass das geht.  Das Feuerwerk haben wir dann vom Boot aus genossen, und das war eine gute Idee, denn man konnte die gesamte umgebende Bucht der Innenstadt von dort aus sehen.

Mittlerweile haben wir einen Platz in der Marina bekommen. Das schaukelt hier zwar genauso wie vor Anker, weil einfach das gesamte Wasser ständig aufgewühlt ist, aber die ständig wechselnde Musik vorbeifahrender Schiffe haben wir nicht so direkt am Ohr. Cartagena ist auch außerhalb von dem Partybezirk Getsemani eine nette und spannende Stadt. Man fühlt sich hier sehr sicher, kann die Stadtteile auf Bürgersteigen bequem zu Fuß erkunden und die Leute sind überall extrem freundlich. Der Fischmarkt hier ist zwar selbst für hartgesottenen eine olfaktorische Herausforderung und man muss schon recht trittsicher sein, um auf den ganzen Eingeweiden und Schuppen nicht auszurutschen, aber der Markt an sich ist ein Besuch wert. Da gibt es alles, also von Klamotten über Elektronik zu Holz und natürlich Lebensmittel. Schmale dunkle überdachte Gänge führen durch das Gewirr und man weiß beim ersten Anblick nicht, ob man sich da reintrauen soll. Aber das ist einen Besuch wert und im Gegensatz zu Berichten, die ich gelesen habe, sind wir dort auch nicht angebaggert, angebettelt oder sonst wie belästigt worden. Also, ist echt sehr nett hier, nur auch sehr heiß.

Auch die Ersatzteilversorgung scheint hier gar kein Problem zu sein, denn man kann fast alles aus den USA bestellen und die Marina nimmt Lieferungen für einen an. Und das Beste – Amazon US liefert ab 35 USD kostenlos nach Kolumbien. So haben wir gleich eine neue Fernbedienung für die Ankerwinsch und diverse andere Dinge bestellt

Am Wochenende wollen wir die Sutje alleine lassen und mit dem Bus nach Santa Marta und dort hoch in die Berge nach Minca, um ein paar Tage zu wandern. Dort soll es dann auch angenehme 25 Grad haben.

Und noch eine Rückmeldung zu meinem Nähprojekt von Grenada – die Beschattung funktioniert sehr gut.

4 Antworten auf „Eine ruhige Überfahrt und doch ist immer irgendwas“

  1. Liebe Petra, Jan und Tobi
    Frohes Neues Jahr 🎊 wünschen wir euch! Wenn einer eine tut… kommt mir so in den Kopf wenn ich euren Bericht lese.

    Wir wünschen Euch eine schöne Zeit am Wochenende in den Bergen und danken für den eindrucksvollen Bericht.

  2. Liebe Petra, lieber Jan,
    auch von uns gute Wünsche für 2024. Wir sind froh, dass ihr trotz Widrigkeiten gut in Kolumbien angekommen seid. Wasser im Schiff bei so einer Überfahrt lässt mich nachträglich noch erschaudern.Jetzt könnt ihr hoffentlich entspannen und alles genießen. Hier ist zwar kein Wasser im Schiff, aber an vielen Orten Hochwasser, auch nicht schön. Hoffen wir das Beste fürs neue Jahr,
    Liebe Grüße
    Doro und Norbert

  3. Moin, moin ihr Drei.
    Wieder ein toller Bericht Petra ! Was Ursel und ich auch so gut finden, das in deinen Berichten nicht nur „Sonnenschein“ ist.
    Und das Cartagena so eine interessante und auch sichere Stadt ist, hätte ich nicht erwartet. Das hat man von hier im alten Europa gar nicht auf dem Schirm.
    Dann habt ihr ja dort einen guten Start in das nächste Reise-Jahr mit hoffentlich vielen guten neuen Erlebnissen. Viel Glück, Spaß und Gesundheit euch allen Dreien.
    Liebe Grüße auch von Ursel. Reinhard

    1. Sicher ist Cartagena bei Dunkelheit nur in den belebten Touristengegenden. Und man sollte auch nie das Handy einfach in die Hosentasche stecken. Aber das gilt vermutlich für weite Teile der Welt.
      Auf jeden Fall zeigt die Polizei sehr viel Präsenz, was einem ein ganz gutes Gefühl gibt.

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