Unterwegs auf den Azoren

Wir genießen unsere Sommerfrische auf den Azoren an diesem Sommer-Sonntag mal an Bord mit Musik von Radioeins, die unter dem Motto Female Power die 100 besten Lieder von Frauen spielen. Von Hildegard Knef bis Missy Elliott war schon viel Gutes dabei. Bei den Hörern ist Aretha Franklin mit Respect der Tipp-Favorit. Mal sehen, was das Jury-Ergebnis ist.

Auf den Azoren lebt es sich sehr entspannt und angenehm. Das sind die richtigen Inseln, um so richtig tief zu entschleunigen. Santa Maria, unseren ersten Stop, haben wir umfassend bewandert und kennen so ziemlich jede Ecke. Zur Abwechslung haben wir uns dort dann auch mal intensiv der Kultur gewidmet und sind drei Tage auf das Santa Maria Blues Festival gegangen – dem größten Blues-Event in Portugal. Eine Veranstaltung, bei der vom Säugling bis zum Greis die Bewohner der Insel zusammenkommen. Viel Inseljugend ist zu sehen, obwohl die bestimmt alle eher keinen Blues hören. Die ersten drei Stunden geht es auf der Wiese in Anjos, direkt am Meer gelegen, um Essen, Trinken und Small Talk und ab halb elf gibt es dann bis zwei Uhr nachts Blues.

Auf dem Festival konnten wir dann dementsprechend ganz traditionelle Gerichte aus dem großen Topf kennenlernen. Am ersten Tag die Heilige Geist Suppe, eine kräftige Brühe mit großen, vollkommen durchgeweichten Brotbrocken und separat aufgeschnittenem Rindfleisch. Traditionell ist das hier wohl eine Armenspeisung. War aber sehr lecker und auch sehr nahrhaft.

Heilige-Geist-Suppe

Am zweiten Tag sind wir entlang der Westküste von Santa Maria zum Festival gewandert und waren dann doch so spät, dass die Topfgerichte schon aus waren. Da haben wir unseren Hunger dann mit den typischen Snacks der Azoren gestillt, dem Bifana, eine Art Schnitzelsandwich, das seine geschmackliche Einzigartigkeit durch die spezielle Sauce gewinnt, die das weiche Brötchen durchdringt. Und dann gab es noch Malassadas, frittiertes Hefegebäck in Zucker gewendet. So war der Kohlehydrathaushalt auch schnell wieder aufgefüllt. 

Musikalisch gab es auf dem Festival einen beeindruckenden Querschnitt von Bluesbands, von lokalen portugischen Gruppen bis zu relativ bekannten süd- und US-amerikanischen Bands. Auf den Punkt gebracht hat Giselle Jackson aus den USA die Stimmung, als sie in der Intro sagte „Thanks a lot for inviting me to this garden party“. Das Highlight war Rick Estrin and the Nightcats, die als krönenden Abschluss am Sonntagmorgen um 02:00 das Publikum so richtig in Wallung gebracht hat – insbesondere durch die Performance des Schlagzeugers. 

Von Santa Maria sind wir weiter Richtung Nordwesten nach Ponta Delgada auf Sao Miguel gesegelt. Ponta Delgada bildet einen starken Kontrast zur „Puppenstube“ Santa Maria. Das Stadtbild wird zunächst durch Hochhäuser dominiert, wenn man dann aber mit der Erkundung beginnt, sieht man schnell, dass das räumlich sehr begrenzt ist. Man taucht ein in eine lebhafte Altstadt mit extrem engen Gassen, durch die die lokalen Lieferwagen ohne Rücksicht durchbrausen, so dass manchmal nur der Sprung in eine Haustürnische hilft. Das ist alles sehr schön und hat uns gut gefallen, aber wir haben Ponta Delgada trotzdem nach ein paar Tagen wieder verlassen, weil wir auf dem Rückweg Richtung Kanaren dort noch einmal länger verweilen werden. Reinhard, der für die Reise von den Azoren auf die Kapverden angemustert hat, wird im August auf Sao Miguel dazukommen und wir werden die Insel noch gemeinsam erkunden.

So sind wir mittlerweile auf Terceira, unserer dritten Insel der Azoren, angekommen. Die 90 Seemeilen waren eine sehr schöne, ganz ruhige Überfahrt, die wir trotz schwacher Winde vollständig unter Segeln fahren konnten. Kurz nachdem wir Sao Miguel hinter uns gelassen hatten, sind in wenigen Metern Entfernung ein paar Orcas vorbeigezogen. Wunderschön, wie die Rückenflossen kurz nacheinander auftauchen und auf einem Kreisbogen wieder eintauchen, so als wären sie wie Speichen auf einer Nabe befestigt. Das war aber auch alles, dann waren die Orcas wieder weg. Man kann ja auch froh sein, wenn sie nicht mit dem Boot spielen.

Bei Winden zwischen 8 und 12 Knoten war auf der Tour durchgängig feinfühliges Trimmen der Segel angesagt, um mit brauchbarer Geschwindigkeit voranzukommen. Das ging aber sehr gut und man glaubt nicht, wie sensible ein Schiff aus 20 Tonnen Stahl auf den einen oder anderen Zentimeter Schot reagiert. So sind wir ganz konzentriert mit 3 bis 4 Knoten durch die vollkommen dunkle Nacht gesegelt. Dann ist Segeln richtig ruhig und man hört nur ein ganz leises Glucksen, wenn der Rumpf sanft durch das Wasser gleitet und ab und zu das Klatschen einer Reffleine im Gross. In dieser Atmosphäre erschienen plötzlich zunächst leicht schimmernde einzelne Flecken im Wasser, die dann wie Leuchtschlangen auf das Boot zukamen. Das war im ersten Moment ein sehr unheimliches Erlebnis, aber es war dann schnell klar, dass hier Delfine im Meeresleuchten unterwegs waren. Sie ziehen meterlange Leuchtschweife hinter sich her, wenn sie das Boot umspielen. Ein tolles Erlebnis und sehr mystisch.

Kurz nach acht Uhr morgens sind wir pünktlich zur Öffnung des Marina Büros auf Terceira in Angra do Heroismo angekommen und hatten Glück und haben einen der wenigen Liegeplätze in der schönen Marina bekommen. Hier auf der Insel tragen die beiden Hauptorte martialische Namen. Angra do Heroismo und Praia da Vitoria haben beide ihre Beinamen im Verlauf des portugiesischen Bürgerkriegs 182x erhalten, in dem sie heldenhaft und siegreich auf der liberalen Seite gekämpft haben. Angra ist das perfekte Städtchen mit einer gut erhaltenen und nicht verbauten historischen Altstadt. Sie ist zurecht Weltkulturerbe. Und dann ist sie trotzdem mit echtem, authentischen Leben gefüllt und leidet noch nicht an Overtourism. Es ist schon sehr schön, wenn so ein hübscher Ort seinen nativen Charme aufgrund der Abgeschiedenheit noch erhalten kann.

Überhaupt hat man auf den Azoren das Gefühl, hier steht das normale Leben der Bewohner noch im Mittelpunkt und die Touristen fügen sich ein und dominieren nicht alles. So werden hier fast täglich irgendwo Stierkämpe auf der Straße veranstaltet, ohne dass das vermarktet wird, geschweige dann irgendjemand da hingekarrt wird. Die Häuser werden verbarrikadiert, als käme ein Hurrikan, die Leute stehen dann hinter und auf Mauern oder Balkonen. Ein Bifana Stand verkauft Semmeln und Bier, ein paar Polizisten stehen rum, ein Ambulanzwagen gesellt sich dazu und dann wird der Stier an langer Leine durch die Straße geführt und dabei von mutiger lokaler Jugend mit Regenschirmen und Tüchern geärgert. Attackiert er, springen alle möglichst schnell über die Barrikaden. Wir kamen zufällig bei so einer Veranstaltung vorbei und haben von einem sicheren Plätzchen zugesehen, aber der Stier war weit weg und nicht so super motiviert. Am Ende hat er eine Europalette aufgegabelt und dann war auch Schluss. Dann gabs halt nur noch Bifanas und Bier. Der Stier darf sich von dem Spektakel anschließend wieder auf der Wiese erholen.

Bifana-Stand, noch ohne Stiere

Für Wanderer ist Terceira aus unserer Sicht nicht ganz so attraktiv wie Santa Maria. Hier ist viel mehr intensive Landwirtschaft. Es gibt gar nicht so viel Landschaft mit Wanderwegen und fast alle Wege sind eher auf einen längeren Spaziergang von 2,5h ausgelegt. Dafür sind jedoch fast alles Rundwanderungen. Aber man braucht einen Mietwagen, um dorthin zu gelangen, weil alle Wege im Inselinneren liegen und das ist leider überhaupt nicht durch Busse erschlossen – außer Kühen wohnt dort auch niemand. Aber es ist sehr schön.

Dafür kann man hier aber das aktive Erdinnere in Form von räuchernden Schloten aus der Nähe besichtigen und über dem Schlot den warmen, schwefelhaltigen Wasserdampf auf sich wirken lassen. Das wird hier auf der Insel auch mithilfe von Geothermie-Kraftwerken zur Energieversorgung genutzt.

Beeindruckend sind dann noch die vielen sehr schönen Naturbadestellen, die sie auf der Insel eingerichtet haben. Alle paar Kilometer sind die natürlichen Klippenformationen genutzt, um mithilfe einer Mole oder einer Mauer ein sicheres Baden im Ozean zu ermöglichen. Da gibt es dann die verschiedensten Varianten von Wellenbad bis Lavapools, die zum Baden einladen und oft auch durch Bademeister bewacht werden.

Interessant finden wir noch, dass zwischen den Inseln keine Fähren fahren. Hier geht alles per Flugzeug. Es gab wohl mal Fähren, aber der Betrieb ist zwischen den meisten Inseln eingestellt und alles geht per Flugzeug. Hier auf Terceira hat Jan im Supermarkt zum Beispiel Brötchen gekauft, die per Flieger von Sao Miguel kamen, quasi Flugbrötchen. Dagegen ist eine Flugmango ja schon fast vertretbar im Verhältnis zum Wert des Produkts.

Das führt dann auch zu lustigen Bildern. Man kann sich hier von den Wale Watching Schlaubooten als Gruppe von einer Insel zur anderen bringen lassen. Heute Nachmittag kam hier in so einem Schlauchboot eine Gruppe von zehn Musikern samt Instrumenten, incl. Keybordgerade an und hat dann am Kai alles in Transporter verladen. Sicheres Reisen auf dem Atlantik stellt man sich irgendwie anders vor. Wenn so auch die Jugend zum Sport Turnier reist, ist das sicher lustig.

Es war übrigens Aretha mit Respect auf dem ersten Platz.

2 Antworten auf „Unterwegs auf den Azoren“

  1. Wieder ein sehr schöner Bericht, Petra. Und auch schöne Bilder, die richtig Lust auf ‚Urlaub‘ machen. Da freue ich mich schon.
    Und wie ich sehe, tragt ihr auch echte Fan-Sweatshirts. Ich bin gespannt, ob das auch so lange in Ehren gehalten wird, wie das Musto Shirt. Dann viele interessante Entdeckungen noch und bis sehr bald dann in Ponta Delgada. Liebe Grüße Reinhard

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