Madeira – Blumeninsel und Wanderparadies

So langsam neigt sich unsere Zeit auf Madeira dem Ende zu. Der Fokus liegt schon wieder auf der nächsten Seepassage; die Wettervorhersage für die nächsten Tage wird von Jan zwei Mal täglich im Detail analysiert, und auf Basis diverser Wind- und Wellenmodelle werden Prognosen zu Kurs und Dauer für die Reise nach Santa Maria, der südlichsten Insel der Azoren aufgestellt. Damit ist dann auch wieder Zeit, unsere Eindrücke von Madeira Revue passieren zu lassen und unsere Erlebnisse zu schildern.

Zunächst hatten wir mal einen Schaden am Schiff. Unser Nachbar, ein alt eingesessener Freizeit-Hochseefischer, hat uns beim Auslaufen gerammt und unsere schöne Seereling verbogen. Er dampft immer mit Vollgas durch den Hafen und beim Ablegen war leider noch eine Leine fest, so dass sein Bug einmal quer in unser Schiff reingerammt ist. Trotz vielerlei Rufen von allen Seiten hat er das angeblich gar nicht bemerkt!? Aber nach Ansprache hat er sich dann immerhin gekümmert und die Jungs, die hier täglich mit den Touristen auf Big Game Fishing unterwegs sind, haben das Ganze mithilfe von Gurten einfach wieder glattgezogen. Ist nicht perfekt, aber geht. Das Rohr ist noch rund und es hat keine Sollbruchstelle. Eine Magnum Flasche Wein hat der Nachbar dann auch noch vorbeigebracht.

Madeira ist in Vielem so ähnlich wie die Kanaren und doch im Detail ganz anders. Auf den ersten Blick wirkt die Insel irgendwie weniger zugänglich als die westlichen Kanaren. Wenn man von Funchal aus in die Berge hochfährt, kommt man viel durch abgeholzte Gegenden. Adlerfarn macht sich dort flächendeckend breit (da hab ich mich schon mal in der Bretagne zu ausgelassen zu dem Zeug) und wo aufgeforstet, da ist der Eukalyptus recht dominant (dazu meine Meinung schon mal in Galizien gesagt). Das sind Dinge, die den Ökologen nicht erfreuen.

In den Höhenlagen hat der Ginster dann die prägende Rolle, Steckginster und Besenginster. Das ist zu dieser Jahreszeit hübsch gelb und bildet den optimalen Hintergrund für sehr schönen, endemischen blauen Natternkopf. Zusammen bieten sie jeder Menge Hummeln üppiges Angebot.

Mit dem Wandern ist das auf Madeira gar nicht so leicht, wie wir uns das vorgestellt hatten. Hier ist wirklich auch ein Rother Wanderführer wieder notwendig (Danke Alex für die gute Idee, den mitzubringen), denn mit Komoot allein wird man hier nicht so fündig, während die App für die Kanaren vollkommen ausreichend ist.

Es gibt hier die Wanderungen entlang der Levadas, der Wasserkanäle. Dafür ist Madeira bekannt und davon hat es auch einige. Sie führen einen entlang der sehr steilen Berghänge oft durch üppigen ursprünglichen Nebelwald, durch enge, teils recht lange und abenteuerliche Tunnel und zu Wasserfällen, die steile Wände vor immergrünem Moospolster herabfallen. Wasser ist hier kein Mangel. Und dann blüht es überall. Die Wege sind bequem zu gehen, da sie fast waagerecht in die Berghänge geschlagen sind. Sie sind aber oft auch sehr ausgesetzt, wenn sie nicht gesichert sind. Hier und da bieten sich durch den Nebelwald spektakuläre Blicke auf die extrem zerklüftete Landschaft. Das ist toll, aber in Teilen auch sehr überlaufen.

Die bekannten Levada Wanderungen sind nicht zu empfehlen, wenn man in Ruhe vor sich hinwandern möchte. Es sind teils viele große Wandergruppen unterwegs und so ein Levada Weg ist in der Regel so schmal, dass man nicht überholen kann. So verdichtet sich im Laufe der Wanderung das Ganze. Als Individualwanderer landet man früher oder später in einem Gruppenwurm und nach und nach schließen sich all die Gruppen zu einer langen Prozession zusammen, die sich, immer wieder stockend, voranschiebt. Irgendwo gibt es dann den Umkehrpunkt – ein Wasserfall oder so. Die Levadas sind in der Regel keine Rundwege und alle müssen die gleiche Strecke wieder zurück und dann wird es richtig zäh. Die beiden Prozessionen müssen nun aneinander vorbei, was immer heißt, dass alle Leute einer Richtung stehenbleiben, sich so gut es geht an den steilen Berghang schmiegen und die Gegenrichtung passieren lassen. Das ist lustig, sehr multilingual aber das ist kein Wandern.

Schlange gehen und stehen

Wir haben uns dann die weniger bekannten Routen ausgesucht und das hat uns dann auch sehr gut gefallen. Es gibt insgesamt recht wenig Rundwege, weswegen man sich am besten etwas heraussucht, wo man Anfang und Ende mit dem Bus erreichen kann. Das ist zuverlässig und günstig. Viele Busse sind noch so alt, dass sie Schiebefenster haben, die man öffnen kann und es macht richtig Spaß, sich im Fahrtwind über die engen und steilen Straßen kutschieren zu lassen. Man hat eine tolle Aussicht, der Magen sollte allerdings gut mit Lateralbeschleunigung umgehen können.

Der Bus ist auch sehr vorteilhaft, wenn man am Ende der Wanderung in einer Bar einen Poncha zu sich nimmt, eine lokale hochprozentige Spezialität aus Zuckerrohrschnaps und Fruchtsäften. Man kann sich dann im Bus beseelt zurückschaukeln lassen.

Einen interessanten Kontrast zu Wasserreichtum und grüner Üppigkeit findet man auf der Halbinsel Sao Lourenco ganz im Osten von Madeira. Dort sieht es fast wie auf Lanzarote aus.

Auf Madeira ist der Tourismus für uns insgesamt viel präsenter als auf den Kanaren. Die Hot Spots sind voll, es gibt viel mehr Aktivitäten wie Whale Watching und man wird auch überall angesprochen und akquiriert, vor Restaurants, für Activity oder auch auf dem lokalen Markt. Mittlerweile sind wir aber so lange hier, dass zumindest diejenigen in Hafennähe und kennen und wissen, dass da nichts läuft.

Funchal kommt so als Stadt mit dem Touristenandrang aber gut klar. Die großen Hotels verbergen sich alle westlich der Stadt hinter einer üppig begrünten Klippe. So nimmt die Stadt städtebaulich schon mal keinen Schaden und behält ihren hübschen Charakter aus kleinstrukturierter Bebauung und roten Dächern. Die Touristen pilgern zu Fuß von den Hotels über die Promenade und bevölkern die vielen netten Bars und Restaurants in der Altstadt. Es gibt ziemlich viele verkehrsberuhigte Straßen, Parks mit üppigen Blumenbeeten und die Straßen sind flankiert von schattenspendenden gelb und lila blühenden Bäumen. Das ganze Ambiente lädt ein zum Genießen.

Zu erkunden gibt es hier auch genug. Wir sind ja nicht so arg kulturell unterwegs, haben uns aber die Feste angeschaut, von der man einen schönen Blick über die Stadt hat. Empfehlenswert ist eine Tour zum Villenviertel Monte mit seiner prominenten weißen Kirche. Da gibt es eine Seilbahn, die wir erst nehmen wollten, aber da standen hunderte von Leuten an und so haben wir und für den Stadtbus entscheiden. Das war eine beeindruckende Fahrt durch die steilen, engen Gassen und hat nur 2 statt 17 Euro pro Person gekostet. Von Monte aus kann man sich in einem Korbschlitten, den zwei Schlittenführer die steilen Straßen heruntermanövrieren, zurück kutschieren lassen. Für diese Fun-Aktivität haben wieder hunderte von Leuten Schlange gestanden, wir sind allerdings durch einen Barranco ganz bodenständig nach Funchal runterlaufen.

Schön war auch der Besuch des Botanischen Gartens, der seine Hanglage sehr gekonnt ausnutzt. Das ermöglicht besondere Blicke von oben, sodass man vor allem die Baumkronen mal in ihrer Struktur und Form betrachten kann. Das hat mir gut gefallen. Man sollte sich aber nicht der Illusion hergeben, dort viele blühende Blumenrabatten zu sehen. Das ist echt ein Botanischer Garten und keine Gartenschau.

Botanischer Garten mit @travel_tasche (siehe Instagram)

Abends wird zurzeit in Funchal schwer was geboten. Es gibt kostenlose Freiluftmusicals und artistische Darbietungen und ein Feuerwerkswettbewerb beschert uns jeden Sonntagabend große Show und wir in der Marina sind dabei in der ersten Reihe. Das ist schon etwas anderes als das Kurkonzert in der Musikmuschel auf Sylt.

Die Marina von Funchal ist ohnehin eine der schönsten, in der wir je lagen. Das gilt nicht für die sanitären Anlagen, die etwas arg in die Jahre gekommen sind aber sonst für alles. Die Atmosphäre ist super, es ist quirlig ohne laut zu sein, die Marina hat eine überschaubare Größe, die Marineros sind extrem aufmerksam und offen, alle sprechen hervorragend Englisch und das Marinabüro war auch ausgesprochen hilfreich.

Wir hatten bei einem Riggcheck, den wir nicht gleich nach Ankunft, aber doch deutlich vor geplanter Abfahrt gemacht haben, festgestellt, dass am Lümmelbeschlag (das ist da, wo der Baum am Mast befestigt wird) ein kleiner Riss entstanden ist. Nun brauchten wir einen Schweißer für Aluminium. Solche Sachen sind ja nicht einfach zu organisieren und wir bekamen viel telefonische und sprachliche Unterstützung bei der Suche durch das Marina-Team. Erst fand sich kein Schweißer, der das machen wollte oder konnte, aber plötzlich ging es gamz schnell und der Schweißer sollte in 30 Minuten kommen. Also mussten wir auf die Schnelle den Baum mit Segel abbauen, was aufgrund des Gewichts nicht so einfach war. Glücklicherweise hat Bernd von der Hullu Poro gesehen, dass wir am Kämpfen sind und kam gleich zur Hilfe.
Die Schweißer kamen an Bord, der Lümmel ist nun wieder heile, die Schweißfunken haben etliche Löcher im Lack hinterlassen, aber weiterer Schaden ist nicht entstanden.

beim Schweissen (c) Bernd, SY Hullu Poro

So hatten wir insgesamt Glück und das gilt wohl auch für den Liegeplatz in der Marina. Wir haben gehört, dass einige Segler seit Jahren versuchen hier reinzukommen. Bei uns hat eine kurzfristige Anfrage von Lanzarote und eine weitere Info als wir losgesegelt sind gereicht, und wir bekamen unterwegs eine Rückmeldung vom Hafenmeister Sergio, dass Platz für uns ist.

Die Zeit hier war sehr abwechslungsreich und Madeira hat uns insgesamt in seiner Vielfalt sehr gut gefallen. Eine wirklich schöne Insel. Und neben allem hat der Aufenthalt hier auch noch dazu geführt, dass Jan jetzt weiß wer CR7 ist. Aber im Museum waren wir nicht; soweit muss das mit der Wissenserweiterung nicht gehen.

7 Antworten auf „Madeira – Blumeninsel und Wanderparadies“

  1. Hallo Ihr beiden Weltumsegler,
    ich habe schon befürchtet, dass CR7 in eurer tollen Reisebeschreibung vergessen wird… Wir waren vor ca. 4 Jahren dort, auch in dem Museum. Seid froh, dass ihr das ausgelassen habt, lohnt sich nicht. Selbst für eingefleischte Fußballfans war das eher langweilig. Ansonsten alles richtig: eigentlich tolle Wanderwege, schöne Wasserfälle, aber zu viele Leute.
    Gute Weiterfahrt und genießt den Sommer in gemäßigten Gefilden! Hier ist es schon wieder trocken und warm. Regen Fehlanzeige! Liebe Grüße, Angela

  2. Hoi, Jan hat wohl einen neuen Freund. Keine sehr vorteilhafte Skulptur allerdings. Ist dann wohl doch Kunst.
    Na dann viel Glück für das richtige Wetterfenster, eine gute Überfahrt und bis vielleicht bald.
    Reinhard

  3. Liebe Petra und Jan,
    Vielen Dank für den schönen Reisebericht, den ich von meiner Couch aus genieße.
    Den Bericht von Madeira habe ich mir irgendwie positiver vorgestellt, und nun bin ich nochmal mehr froh, mit Euch La Gomera und La Palma erwandert zu haben.
    Die Wasserwege (Waalwege) kenne ich aus Meran und es ist auch dort genau, wie Ihr es beschreibt. Nur „Gruppenwurm“ und „Prozession“ wären jetzt nicht meine Wirte gewesen … habt vielen Dank für für die Inspiration 🤣
    Die Marina hört sich ganz klasse an und das Foto mit dem Feuerwerk im Hintergrund ist einfach mega schön!!
    Habt eine sichere Überfahrt auf die Azoren 🙏, und bis zum nächsten Mal dann,
    Alles liebe, R2 und Alex

    Ps: freu , gleich kommt die kniffelige Mathefrage 😅

  4. Ahoi Ihr Lieben,
    ich war im letzten Spätherbst schon einmal hier vorbeigesegelt und die Wanderwege waren zu der Zeit wenig frequentiert. ABER, lange nicht so schön grün und bunt wie auf den Fotos in diesem Beitrag zu sehen ist. Ich bin entzückt.
    Fair winds auf dem Weg zu den Azoren und vielen Dank für die schönen gemeinsamen Tage in Funchal. Ich folge Euch in Kürze.
    Bernd / SY Hullu Poro

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