Vom Unterwegssein zum Dasein

Gefühlt hatten wir uns von Holland bis A Coruña ja schon recht viel Zeit gelassen. Mit den vielen Hafentagen und Ausflügen jedenfalls viel mehr als man das bei einem normalen Urlaubssegeltörn macht.

Sutje beim Auslaufen aus A Coruña (Bild von der Crew der SY Ruby Tuesday)

Nach zwei Wochen in den Rias von Galizien haben wir jetzt aber den Unterschied zwischen Unterwegssein und Dasein erfahren und in der Rückschau glich der Teil bis A Coruña dann doch eher einem Segeltörn als der jetzige Zustand. Es ist als wenn man bei einem schnellen Motorboot Gas wegnimmt und der Bug, der vorher über die Wellen schoss dann sanft ins Wasser eintaucht und das Boot sofort entschleunigt.

Die Rias kann man sich so wie die Flensburger Förde vorstellen. Tiefe Einschnitte in die hügelige Küstenlandschaft mit Buchten und schönen Sandstränden, die sich entlang der Galizischen Küstenlinie bis zur Portugiesischen Grenze erstrecken. Nördlich von Kap Finisterre, an der Costa da Morte, ist die Küste mit den vorgelagerten Islas Sisargas, auf denen wir geankert haben, noch eher rau, das Wasser ist kühl und die Gegend entspannt verschlafen. Nach Umrundung des Kap Finisterre werden die Rias mit zunehmender Wassertemperatur touristisch attraktiver und sind mit JetSki-Verleih und allem was so dazugehört auch entsprechend entwickelt. Alles aber noch sehr schön und ohne grosse Hotelkomplexe.

Vor Anker bei den Illas Sisargas
Costa da Morte

Hier findet man als Segler überall schöne und sichere Ankerbuchten und fühlt sich an dieser exponierten und felsigen Küste sicher und geborgen. Das ist wohl auch einer der Aspekte weshalb man hier dann seglerisch erstmal zur Ruhe kommt. Der Tag füllt sich dann schnell mit vielerlei anderen Aktivitäten. Kleine Wanderungen, Paddeln, Ortschaften erkunden, Einkaufen und Kochen sind in raumgreifende Zeiten des Nichtstun eingebettet und dann ist da noch viel anderes, was einen täglich auf einem Boot so beschäftigt.

Zunächst brauchte der Aussenborder vom Dinghy mal wieder gehörige Zuwendung, nachdem er seinen Dienst quittiert hatte und Rudern angesagt war. In der nächsten Bucht haben wir das Dinghy dann gleich ganz ohne Aussenborder genutzt und die kurzen Strecken gepaddelt, aber dabei haben die Dollen (Befestigungspunkt der Ruder) dann den Geist aufgegeben und gestern ist auch noch eine der Luftkammern undicht geworden. Inzwischen ist alles wieder gefixt. Um jetzt vorwegzunehmen, ja, wir wussten, dass Dinghy und Aussenborder nicht im gewünschten Zustand sind, aber wir wollen erstmal Erfahrung unterwegs sammeln, bevor wir die Sachen durch neue ersetzen, statt einfach so aus der Theorie her etwas zu kaufen, was dann vielleicht doch nicht so recht passt. Ein neues Dinghy werden wir uns wohl spätestens in Portugal kaufen müssen, aber wir hoffen, dass der Aussenborder noch bis in die Karibik hält. Dort kann man nämlich noch Zweitakt-Aussenborder kaufen, die viel leichter und zuverlässiger sind. In Europa gibt es die aus Emissionsgründen seit einigen Jahren nicht mehr.

Der Aussenborder zickt mal wieder

Dann gibt es natürlich auch im Schiff immer was zu reparieren oder zu basteln. Wichtig auf einem Schiff ist z. B. dass die Schubladen verriegelt sind und bei Lage nicht rausrutschen. Diese Riegel führen aber ein intensives Eigenleben und müsssen nicht nur regelmässig justiert werden, sondern manchmal auch vollkommen ausgebaut und unterfüttert wieder eingbaut werden. Der Herd brauchte auch noch eine Unterfütterung an einer Seite, damit das Öl sich in Längsrichtung gleichmässig in der Pfanne verteilt (Quer ist kein Problem, da der Herd in der Richtung pendelt). So ein Schiff dient gefühlt eigentlich nur dazu, einer möglichst gut ausgestattete Werkstatt wassergebundene Mobilität zu verschaffen – ein Traum!

Und dann ist es ja auch so, dass man nicht allein unterwegs ist, also auch der Aspekt der Sozialkontakte gut abgedeckt ist. Es gibt eine gut vernetzte Gruppe an Segelcrews, die sich dieses Jahr auf denselben Weg gemacht haben wie wir und von denen man hier und da immer mal wieder einige antrifft. Beim Ankern besucht man sich gegenseitig und fachsimpelt und der Apero wird dann auch schon mal zu einem langen feucht-fröhlichen Abend, von dem sich alle Beteiligten am nächsten Tag erstmal ausgiebig erholen müssen.

Also – uns geht es gut. Aber es läuft natürlich nicht immer alles glatt und mach missglücktes Manöver hinterlässt dann doch auch Spuren. Jan hat sich beim Bergen des Parasailor die Hände an der Schot verbrannt. Die Blasen gehen jetzt alle auf und das sieht nicht schön aus, verheilt aber im Moment gut. Man weiss ja eigentlich, dass man bei solch Manövern Handschuhe tragen muss aber man muss das auch machen. Das wird jetzt sicher besser, so wie auch das tragen der Schwimmwesten immer disziplinierter gehandhabt wird.

So haben wir uns die letzten zwei Wochen von A Coruña bis Combarro in der Ria Pontevedra treiben lassen und dabei Galizien, seine netten Menschen und das gute Essen genossen. Alle, die wir hier getroffen haben, sind hier extrem freundlich und trotz unserer sprachlichen Defizite super bemüht. Der Hafenmeister von Camarinas, bei dem wir nur gefragt hatten, ob wir unser Dinghy in seinem Hafen während unseres Landgangs anbändseln dürfen, hat nicht nur das erlaubt, sondern ist und dann auch noch mit Ortsplan und Wanderkarte hinterhergerannt.

Camarinas

Sobald es ums Essen geht, kann man sich hier ohnehin immer gut verständigen. Egal ob am Marktstand oder im Restaurant – Essen und Nahrungsmittel hat hier eine so hohen Stellenwert, dass man sich die Zeit nimmt, das mit allen Mitteln auszudiskutieren. Nur eins geht hier gar nicht. Man kann nicht erwarten, um 18 Uhr im Restaurant etwas zu Essen zu bekommen. Zwischen 16 und 20 Uhr gibt es nur Flüssiges. Sonst kann man aber den ganzen Tag essen – und das sehr gut.

Strand bei Kap Finisterre – Wasser leider nur mit 16 Grad
Combarro bei Nacht (und ohne die vielen Touristen)

8 Antworten auf „Vom Unterwegssein zum Dasein“

  1. Hi Petra und Jan, ihr seid ja gut unterwegs! Hoffe die Getreidemühle macht ihre Dienste. Gutes Brot ist ja manchmal schon lecker.
    Lg aus MUC
    Sandra

  2. Liebe Petra & Jan,
    Habt Dank für den schönen Blog und die tollen Fotos – ich mag vor allem auch den Titel! Viel Spaß Euch weiterhin beim Entschleunigen, liebe Grüße R2 & Alex

  3. Schön, dass es euch gut geht! Wir bekommen beim Lesen Sehnsucht nach dem Meer, aber bald geht es für uns nach Stockholm.
    Danke für die tollen Schilderungen, da geht manchmal, z B. bei den Schubladenriegel, die entfesselt sind, das Kopfkino an 😄
    Viele liebe Grüße
    Doro und Norbert

  4. Moin Ihr 2,
    Wieder mal ein interessanter Bericht, so fährt man fast ein bissel mit.
    Lasst es euch gut gehen.
    Tolle Bilder.
    Liebe Grüße Sabine

  5. Es ist immer wieder schön eure unterhaltsamen Berichte zu lesen. Ihr schreibt so nett, als wäre man selbst dabei.
    Gute Besserung für Jans Hände und eine schöne Zeit weiterhin, liebe Grüße aus der alten Heimat.

  6. Hallo ihr zwei, schön wieder Neues von euch zu hören. Auch von mir gute Besserung für Jans Hände. Hübsches Bretonen Shirt hat er auf dem Foto an. 🙂
    Klingt sehr entspannt, wie ihr die Tage jetzt verbringt. Habt ihr denn schon mal was selbst geangelt mittlerweile ? Oder ist das Angebot an Land einfach zu gut ? Liebe Grüße auch von Ursel.

    1. Zum Angeln sind wir leider noch nicht gekommen, es fehlt der passende Köder. Demnächst sind wir aber in Vigo. Vielleicht kommen wir da an einem passenden Geschäft vorbei.

  7. Wie schön. Das klingt jetzt endlich wie entspanntes Weltenbummeln und nicht mehr wie Vendée Globe 😉 Ihr scheint nun wirklich angekommen zu sein und man gönnt euch jeden Augenblick. Es ist wunderbar, dass man über eure Berichte wenigstens in Gedanken ein wenig mit euch mitsegeln darf. Gute Besserung für die Hände. Das macht die vielen eigenen Fehler gleich viel erträglicher, wenn man sieht, dass es auch den „Profis“ mal passiert 😉

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