Barbuda und St. Kitts – die nördliche Wendeschleife

Barbuda: endlose, leere, Strände aus feinstem weißen Sand und flaches türkises Wasser mit Korallenriffen. Hier wird der Traum vom Ankern in der Karibik Wirklichkeit. Am Strand eine Bar, umgeben von niedrigem Buschwerk. In der Ferne ein paar Gebäude, vor denen Kitesurfer über das Wasser fliegen. So stellt man sich das vor.

Barbuda ist im Gegensatz zu den anderen Inseln, auf denen wir bisher waren, ziemlich flach und besteht aus Kalkstein und Sand. Die Passatwolken werden hier nicht aufgehalten. So regnet es wenig und die Insel ist entsprechend trocken. Der sonst so üppige Regenwald fehlt hier und die Insel ist gleichmäßig mit 2 – 3 Meter hohem Gestrüpp bewachsen.

Und, wie an abgelegenen Orten oft der Fall, ist die Welt hier nochmal eine ganz andere. Barbuda gehört zwar zu Antigua, aber der Durchgriff ist begrenzt. Die Regierung von Antigua würde den Tourismus gerne intensiv ausbauen, aber die paartausend Einheimischen wehren sich. Sie gelten als sehr renitent. Es gibt kein privates Eigentum an Grund und wer bauen möchte, bekommt einen Plot zugewiesen. Investoren bekommen Grund nur auf Erbpacht und das hindert natürlich schon so manche Investition. Ein paar, unter anderem Robert de Niro, versuchen dennoch hartnäckig hier Luxusressorts aufzubauen, aber das Ganze wirkt eher bemüht als erfolgreich. Und dann kommt ja auch immer mal wieder ein Hurrikan, der ohnehin alle Anstrengungen zunichtemacht. So hat die Insel hier und da ihre Bauruinen, die im stetigen Passatwind unter gleißender Sonne zerfallen. Einzig ein emsig fliegender Helikopter und die Kiter an der Südspitze verraten, dass neben den paar Seglern, die hier Ankern noch andere den Weg hierher gefunden haben. Und so kommt es, dass man soweit das Auge blicken kann, keinen Menschen am Strand sieht.

Neben dem Tourismus ist wohl die einzige weitere wesentliche Einnahmequelle der Export von Sand. Neben dem Anleger für die Schiffe, die den Sand auf die anderen Karibikinseln bringen, warten Haufen von Sand auf den Abtransport.

Die Strandbar Shak-A-Kai ist bei den Seglern bekannt und ein Muss, wenn man hier ankert. Inoch hat sie während der Saison 7 Tage die Woche ganztags geöffnet. Abends grillt er super Langusten, die er mit einer gebackenen Kartoffel und einem Schlatz Saurer Sahne serviert. Will man Salat oder so, muss man das mitbringen. Besteck auch, denn davon hat er nicht genug. Voranmelden muss man sowieso, die Anzahl Langusten ist sehr begrenzt. Die Bar ist der ideale Ort, um bei jedem Landgang mindestens zweimal abzuhängen und andere Segler zu treffen. So haben wir dann auch Katja kennengelernt, die eine Segelschule in Erlangen betreibt und unserem Mitsegler Tobi letztes Jahr das Segeln beigebracht hat.

Wir haben die Welt dahinter mit unseren Fahrrädern erkundet. Das ist recht anstrengend, obwohl die Insel flach ist, denn auf der Betonpiste ist Sand und der bildet Rippeln. Zusammen mit Wind und Hitze waren die nur 16 Kilometer nach Codrington, dem Ort der Insel, doch recht anstrengend – und ernüchternd. Leider ist die Insel voll von Müll. An jedem Drahtzaun häufen sich die vom Wind angewehten Plastikflaschen und man hofft, dass der Zaun intakt bleibt, damit nicht alles im Meer landet. Die weggeworfenen Bierflaschen, die die Insel übersähen haben immerhin den Vorteil, nicht so leicht verweht zu werden. Codrington fehlt jeglicher Charme, ausser dass die Leute wie überall in der Karibik sehr nett sind. Da es nichts gibt, will einem auch keiner was verkaufen, was auch mal ganz angenehm ist.

Von Codrington sind wir weiter auf der Piste Richtung Osten zur Highland House Ruin. Dort stehen auf einer Anhöhe von etwa 20 Metern ein paar alte Steinmauern mehrerer Gebäude. Eine Infotafel gibt es nicht. Dass es sich um das ehemalige Anwesen der Familie Codrington handelt, haben wir erst später herausgefunden. Die Codringtons haben die ganze Insel Barbuda von der britischen Krone gepachtet. Pachtzins war ein fettes Schaf pro Jahr. Aber was sie mit der Insel wollten, bleibt unklar. Jedenfalls ist der Standort gut gewählt. Man kann Ost- und Westküste der Insel überblicken und die Höhenlage sorgt für eine sehr angenehme Brise.

Obwohl wir nun schon 2,5 Stunden unterwegs waren, war die Ruine war noch nicht das Ziel unseres Ausflugs. Bisher war eigentlich alles nur Anfahrt, denn wir wollten zum Sinkhole, das wir auf Google Maps gefunden hatten. Der Weg geht irgendwo bei der Ruine los und nach kurzer Zeit hatten wir ihn dann auch gefunden. Nun ging es zu Fuß weiter auf gut erkennbarem Weg durch das trockene Gestrüpp in der Mittagshitze. Immer mal wieder hört man es rascheln und sieht dann die auf der Insel wild lebenden Esel und Ziegen und ab und zu zirpt träge ein Vogel. Ansonsten hört man nur die trockenen Blätter im Wind.

Und dann steht man plötzlich vor dem Sinkhole und kann auf das Dach eines kleinen Regenwaldes herunterschauen. Ein Sinkhole, oder auch Doline, ist eine runde Senke, die durch Lösungsvorgänge im Kalkgestein entstanden ist. Unterirdisch entsteht eine Höhle und irgendwann bricht das Dach ein. In so einem Sinkhole kann es dann ganz spezielles Klima und eine ganz eigene Tier und Pflanzenwelt geben. Auf Barbuda ist dieser Kontrast sehr beeindruckend. Schon das üppige Grün und das viele Vogelgezwitscher am Dolinenrand ist toll, aber der kurze Abstieg in die vielleicht 15 Meter tiefe Senke ist ein besonderes Erlebnis. Es wird angenehm kühl und schattig. Man ist umgeben von den Kalkwänden und kommt sich vor wie in einer kleinen künstlichen Welt. Hier haben wir sogar mitten am Tag Fledermäuse gesehen.

Der Rückweg war leider etwas beschwerlich. Kurz nachdem wir bei der Ruine wieder auf das Rad gestiegen sind, hatte Jan einen Platten und musste schieben. Die 4 Kilometer nach Codrington wurden dann echt lang. Dort haben wir aber eine kleine Bar gefunden, konnten etwas gegen die nun doch langsam drohende Dehydrierung unternehmen und auch ein Taxi organisieren, dass uns samt Faltfahrrädern wieder beim Shak-A-Kai abgesetzt hat. Da ging es dann gleich weiter ans Rehydrieren.

Am nächsten Tag haben wir einen geführten Ausflug gemacht und uns das zweite Highlight der Insel angeschaut – die Fregattvogelkolonie. Die Piste Richtung Codrington haben wir bequem mit einem Taxi zurückgelegt. Die Fahrer sind immer auch gleich Fremdenführer und wir haben jede Menge Info zur Geschichte, Wirtschaft und Politik der Insel bekommen. Ein kurzer Stopp in Cordrington bei der Immigration zum Ausklarieren und dann ging es auf das Boot zu George Jeffrey, einem sehr wissensreichen und unterhaltsamen Tourguide.

Codrington liegt an einer großen Lagune, die meistenteils nur so 2 Meter tief ist und am Rand mit Mangroven bewachsen. Das ganze ist eine marine Kinderstube und bietet so auch optimale Bedingungen für die Fregattvögel. Mit dem Boot saust man quer durch die Lagune, sieht die Vögel zunächst von Ferne in der Luft über der Kolonie und kommt dann erstaunlich nahe ran – also auf Armlänge! Sowas sollte man mal bei einer Möwen- oder Seeschwalbenkolonie versuchen. Die Fregattvögel sind aber vollkommen angstfrei und unaggressiv. Obwohl viele Jungvögel in den Nestern hockten, kommt keinerlei Unruhe auf. Das ist wirklich beeindruckend.

Nach zwei Tagen auf Barbuda sind wir am nächsten Morgen mit dem ersten Licht Richtung Westen nach St. Kitts and Nevis gesegelt. Die zwei Inseln bilden einen weiteren autonomen Kleinststaat in der Karibik. Die 60 Seemeilen sind wir bei mittleren achterlichen Winden gemütlich rübergeschaukelt. Jan war nicht immer ganz zufrieden und es kam Ungeduld auf, aber am Ende sind wir noch bei gutem Licht durch die Meerenge zwischen den beiden Inseln durchgesegelt und haben bei Sonnuntergang den Anker vor dem Hauptort Basseterre fallen lassen. Wir hatten zwar einen Platz in der Marina reserviert, aber die wollten Feierabend machen und hatten uns auf den kommenden Tag vertröstet.

Erschütternd war, dass auch hier in der Karibik Migranten auf See sterben. Den ganzen Tag über hatten wir auf Funk verfolgt, wie die Küstenwache von St. Kitts gemeinsam mit zwei Kreuzfahrern und einem Frachter im Norden der Insel Planquadrate nach Menschen in Seenot abgesucht haben. Unterstützt wurde die Aktion aus der Luft von Guadeloupe aus. In St. Kitts angekommen hat die Recherche dann ergeben, dass ein 30 Fuss Segelboot mit 32 Afrikanischen Migranten von Antigua aus unterwegs zu den British Vergin Islands war und in der Nacht vor St. Kitts gekentert war. Die Hälfte der Menschen konnte gerettet werden. Nach Antigua waren die Leute mit Charterflügen gekommen. Was für eine Flüchtlingsroute.

St. Kitts war dann für uns eine echte Überraschung. Die kleine Marina ist sehr nett und hat gute Duschen, was nach vielen Wochen Ankern und wassersparender Decksdusche auch mal wieder sehr schön ist. Basseterre hat echt städtischen Charakter mit Bäumen, intakten anglikanischen Kirchen, einem Park und es ist homogen instand, also nicht dauernd unterbrochen von zerfallenen Häusern. Und es ist absolut sauber. Die ganze Insel ist sauber. Nur ein bisschen Schrott steht hier und da rum. Der karibischen Stimmung tut das keinen Abbruch. Am Busbahnhof, dem Zentrum der Aktivität, ist den ganzen Tag was los, Bars und Garküchen bevölkert und bis spät in die Nacht ist Party.

Wie auf den anderen englischsprachigen Inseln auch, hat St. Kitts ein super Bussystem, sogar am Sonntag. So konnten wir unsere Ausflüge alle mit Bus machen. Brimstone Hill Fortress, eine riesige, liebevoll restaurierte Verteidigungsanlage der Engländer war auf alle Fälle einen Besuch wert. Es gibt auf dem Weg den Hügel hinauf einiges zu erkunden und auch die Ausstellung im Museum ist ganz informativ.

Auf dem Rückweg gab es dann super Mittagessen an einer der Garküchen am Busbahnhof. Ziege mit den üblichen karibischen Beilagen, Reis, Linsen und Salat. Das schöne beim Essen hier ist, dass man in den einfachen Lokalen nur eine Gabel bekommt. Es ist also absolut klar, dass man mit den Fingern essen muss, wenn man das Fleisch von den Knochen bekommen will. Das kommt mir sehr entgegen. Ich liebe es, Fleisch vom Knochen zu pulen und hier kann man das ganz offensiv betreiben und es stört sich keiner dran.

Am nächsten Tag  gab es noch eine anspruchsvolle Wanderung auf den Mount Liamuiga im Norden der Insel. Der Weg ist gut, leicht zu finden und ohne Führer machbar, aber im letzten Drittel sehr steil, so dass man doch oft die Hände zu Hilfe nehmen muss. Oben angekommen hat man zwar keine Aussicht über die Insel, weil man immer noch im Regenwald ist, aber der Blick in den üppig bewachsenen Krater ist auch sehr eindrucksvoll.

Nach drei Tagen auf St. Kitts haben wir uns von Rita und Hartmut und ihrer Kirke getrennt, nachdem wir Antigua, Barbuda und St. Kitts gemeinsam besegelt haben. Die beiden sind weiter nach Norden gefahren, wir mit Südkurs. Über Nacht sind wir vorbei an Nevis und Montserrat Richtung Guadeloupe gesegelt. Ein strammer Amwind-Kurs bei 20 bis 25 Knoten und einer Menge Gischt, die über das Sprayhood kam, hat uns bis zum frühen Morgen bis auf 10 Meilen westlich von Guadeloupe gebracht. Von dort sind wir in dem schmalen Streifen zwischen Beschleunigungszone im Norden und Flaute im Süden dann mit einigen Wenden aufgekreuzt, eine Art zu Segeln, die man als Langfahrer sonst so gar nicht praktiziert. Das war mal wieder sehr schön – wenn auch nicht mit berauschendem Wendewinkel.

In Malendure hat sich unser Weg noch einmal mit dem von Cornelia und Volker von der Hexe und Bernd von der Hullu Poro gekreuzt. Ein schönes Wiedersehen, aber es war von kurzer Dauer. Bernd ist nun  gemeinsam mit Segelfreund Rainer unterwegs Richtung Norden zurück über den Atlantik, während wir in den nächsten Wochen noch Richtung Grenada bummeln, um dann dort an Land zu gehen und während der Hurrikan-Saison Segelpause zu machen.

2 Antworten auf „Barbuda und St. Kitts – die nördliche Wendeschleife“

  1. Hallo ihr Beiden, eure Berichte werden immer interessanter. Ihr seht ja wirklich tolle Gegenden. Ich glaube, da wäre auch für mich ein Paradies dabei.
    Ein sehr schöner langer Bericht und die Fotos machen wirklich Lust auf Strand. Und wie schön, das ihr Bernd noch mal getroffen habt. Dann wünsche ich euch erst einmal eine angenehme „Rückfahrt“ nach Grenada und gute Winde. Und ich freue mich schon auf deinen nächsten Artikel Petra. Liebe Grüße Reinhard

  2. Wow, was für ein eindrucksvoller Reisebericht. Es überrascht, dass die Inseln so unterschiedlich sind. Möge der Wind von der Seite kommen und die Luft im Reifen bleiben.
    Karin

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