Zunächst gibt es Gutes von unserem Dieselherd zu berichten. Er hat seine Reise an die Westküste und zurück überstanden, ist repariert, wieder eingebaut und läuft einwandfrei. Wir können jetzt seit drei Tagen wieder problemlos auch auf See kochen.
Die letzten Wochen haben wir zwischen Block Island und Cape Cod, wo wir seit gestern liegen, mit kurzen Tagestörns in der Inselwelt von Rhode Island und Massachusetts verbracht. Schon Block Island war eine echte Erholung nach den vielen Eindrücken in New York. Die Insel hat 1000 Einwohner, eine noch tragbare Anzahl an Zweitwohnungen und nicht zu viele Tagestouristen, die durch die wenigen Geschäfte im kleinen Fährort New Shoreham bummeln. Sind die Tagestouristen weg, wird der Bürgersteig dann auch hochgeklappt. Es hat entsprechend wenig Autoverkehr und man kommt mit dem Fahrrad sehr gut über die Insel. Wohlfühllandschaft zwischen Heckenrosen und Brombeeren mit Kliffs, Stränden und ein paar Dünen und es gibt ein für die Größe der Insel umfassendes Wanderwegenetz von 18 Kilometern.
Auf Strandwanderungen ist man fast allein unterwegs und läuft teils direkt an den Kolonien brütender Mantelmöven vorbei, die ganz entspannt auf ihren Nestern bleiben. Ältere Küken watscheln in kleinen Gruppen ohne Eile weiter, wenn ihr Weg sich mit dem des Wanderers kreuzt. Am Dünenrand gibt es aber immer wieder kleine mit einem Band abgesperrte Flächen. Manchmal nur 20qm, manchmal auch mehr. Das sind alles Schutzzonen für Nester von Sandregenpfeifern. Wir haben lokale Naturschützer getroffen, die diese Flächen einrichten und den Bruterfolg natürlich auch monitoren. Das Engagement und die Begeisterung für jedes einzelnen Küken sind beeindruckend. Interessant war auch, dass es hier nur recht wenige Austernfischer gibt und man sich über jedes Brutpaar freut. Auf Sylt hat deren Bestand in den letzten Jahren so zugenommen, dass sie mittlerweile auf den Hausdächern sitzen.
Am Strand von Block Island hat sich in den letzten Jahren auch eine recht stattliche Kolonie von Kegelrobben angesiedelt, die sich ebenfalls nicht stören lassen, wenn man nicht zu nahekommt und die einen neugierig vom Wasser aus beobachten. Hier war interessant wie viel grösser als bei uns die Tiere sind. Das liegt vielleicht an der hohen Produktivität der Gewässer hier.
Von Block sind wir nach ein paar Tagen weiter Richtung Osten gesegelt. Eigentlich sollte an dem Tag guter Wind und gutes Wetter sein, aber wir hatten dichten Nebel und nur wenig Wind. Trotzdem konnten wir einigermaßen gut segeln und sind gut nach Cuttyhunk Island gekommen. Immer noch in dichtem Nebel haben wir uns vor der Hafeneinfahrt an eine der vielen freien Moorings gelegt und sind dann mit dem Dinghy in den Hafen gefahren, um uns die Lage dort erstmal anzuschauen. Auch dort war nicht so viel los und wir haben uns dann am nächsten Tag im Hafen an die Mooring gelegt, weil man dort bei Wind ruhiger liegt.

A propos Nebel – der kommt hier ziemlich häufig vor. Aus dem Norden transportiert der Labradorstrom kaltes Wasser, das zusammen mit warmer Luft im Sommer eine beeindruckend dichte Suppe mit wenigen Metern Sichtweite produzieren kann.

Cuttyhunk ist noch viel kleiner als Block. Den Winter über leben dort nur 12 Menschen. Im Sommer bringt die kleine Fähre ein paar Besucher vom Festland, aber es gibt viele Segler, die hierherkommen und es soll dann auch richtig voll sein, so dass die Boote dicht an dicht liegen. Abends kommt ein Service von Boot zu Boot und verkauft Austern, die auch gleich geöffnet und serviert werden. Ein optimales Ziel für einen Wochenendtörn für die Segler hier an der Küste.
Wir haben dort Jen und Derek, die an der Nachbarmooring lagen, kennengelernt und einen netten Abend bei einem leckeren Gin Tonic verbracht. Von den beiden haben wir jede Menge Tipps für das Segelrevier bekommen und auf ihre dringende Empfehlung haben wir dann auch Martha’s Vineyard angelaufen. Auf die Insel wollten wir eigentlich gar nicht, weil sie so bekannt ist, und wir dachten es wäre zu überlaufen. Aber wir sind sehr froh, dass wir sie dann doch besucht haben.
Im Westen gibt es den kleinen Hafen Menemsha, der zwei Moorings anbietet und wir konnten kurzfristig eine reservieren. Das ist später in der Saison sicher nicht mehr so einfach möglich. Menemsha ist ein Seglertraum – zumindest für uns. Ein aktiver kleiner Fischereihafen, bei dem der Fang gleich direkt in den Fischladen an der Pier geliefert wird. Dorsch, Heilbutt, Hummer, Scallops superfrisch. Mehr als zwei Fischläden mit ein paar Sitzplätzen auf Holzbänken gibt es dann in Menemsha auch nicht.
Aber es fährt ein Bus und mit dem Bussystem auf Martha’s Vineyard kommt man kostenlos stündlich überall hin auf der Insel. Man muss zwingend vorne einsteigen, damit die Fahrerinnen wissen, wo man hin will. Die erklären einem, wo es umzusteigen gilt, oder lassen die Leute auch genau an gewünschten Orten raus. Der Bus hält auf der Strecke auch jederzeit an, um Leute aufzunehmen. Offiziell jedoch nicht in Kurven, aber auch das geht. Ein super System und sehr nette Fahrer.
Wir hatten mehrfach das Vergnügen mit der gut gelaunten Claudia aus Brasilien zu fahren, die immer mit Haifischmütze unterwegs war. Auf der Insel wurde der Weiße Hai gedreht und es war gerade 50-jähriges Filmjubiläum. So gab es dann kaum jemand der ohne Hai T-Shirt, Cap oder Badebüx unterwegs war. Aber die Mütze war das Beste!

Mit dem Bus haben wir uns dann die Insel angeschaut. Das erste Mal sind wir nur bis Oak Bluffs gekommen. Es war Samstag und der Ort war so voll und es war so heiß, dass wir gleich die nächste Rückfahrmöglichkeit genutzt haben, um uns in der Ruhe von Menemsha zu verkrümeln. Unter der Woche haben wir es aber nochmal versucht und sind in den Osten der Insel gefahren, nach Edgartown und Oak Bluffs und das haben wir dann nicht bereut.
Beide Städtchen sind sehr hübsch, Edgartown mit stattlichen weißen Häusern und großen gepflegten Gärten und Oak Bluffs mit vielen bunten kleinen Zuckerbäckerhäuschen. Hier hat sich ein Methodistisches Sommerlager angesiedelt und deren Mitglieder haben ihre Häuschen alle um die beeindruckend große zentrale Gebetshalle errichtet. Auch heute noch sind Grundstücke, auf dem die Häuschen stehen, Eigentum der Methodistischen Gemeinde. Der Verkauf eines Häuschens bedarf der Zustimmung der Gemeinde. Sehr schön, dass so ein Kleinod nicht kommerzialisiert wird.
Eine sehr schöne Wanderung haben wir um die Klippen im Westen der Insel gemacht. Auch hier sind wir nur ganz wenigen Menschen begegnet, obwohl so viele Touristen auf der Insel sind. Wenn man ein wenig abseits unterwegs ist, ist man schnell allein.
Und dann gab es noch ein Highlight für mich: direkt im Hafen konnte man bei Hochwasser Pfeilschwanzkrebse vom Steg aus beobachten, wie sie über den Grund gleiten und Kleingetier fressen. Das sieht aus, als wären dort lauter autonome Staubsauger unterwegs.
Von den Inseln aus sind wir weiter nach New Bedford. Jen und Derek, die wir auf Cuttyhunk kennengelernt haben, hatten uns angeboten dort ihre Mooring zu nutzen. Das haben wir gerne angenommen. In New Bedford konnten wir endlich mal wieder Wäsche waschen. Da hatte sich seit Baltimore doch einiges angesammelt. Und wir konnten von dort mit dem Mietwagen unseren Dieselherd abholen, der bei Michael, dem Stützpunktleiter des Trans Ocean Vereins in New Hampshire in der Garage stand. Solch ein Netzwerk von Ansprechpartnern weltweit ist schon super.
New Bedford hatte seine beste Zeit während des kommerziellen Walfangs, es war eine der reichsten Städte der Ostküste. Von hier aus sind die Schiffe um Kap Hoorn bis in den nördlichen Pazifik gefahren. Auf dem Atlantik waren sie auch unterwegs und haben dabei vor allem auf den Azoren und den Kapverden Crew angeheuert. Ein weiterer wesentlicher Teil der Besatzung waren aus den Südstaaten geflüchtete Schwarze und deren Nachkommen. So war eine sehr internationale Crew unterwegs und das hat sich in der Stadt bis heute erhalten. Es wird viel Portugiesisch gesprochen und es gibt überall portugiesisches Essen.
Mit dem Ende des Wahlfangs ging es wirtschaftlich zunächst bergab, aber New Bedford hat dann eine zweite Blüte mit dem Aufbau der Textilindustrie erlebt. Die Baumwolle aus den Südstaaten wurde hier verarbeitet und verschifft, bis man dann die Spinnereien in die Südstaaten selbst verlagert hat. Damit kam dann schon weit vor der Globalisierung der wirtschaftliche Niedergang. Seit kurzem setzt man auf die Windenergie und hat ein großes Umschlagsterminal für Offshore Anlagen errichtet, aber man weiß im Moment nicht genau wie sich dieser Industriezweig weiterentwickelt, wenn die Subventionen gestrichen werden.

Aber die Innenstadt mit ihren prunkvollen Häusern aus besseren Tagen präsentiert sich sehr nett und zieht auch einige Besucher an. Vor allem das Walmuseum ist sehr empfehlenswert. Es wurde 1906 von Emily Bourne, der Tochter eines Walfang-Kapitäns gespendet. Sie ließ dafür extra ein Modell seines Schiffs im Maßstab 2 zu 1 nachbauen. Daneben gibt es viel über Wale, Walfang, Migration und Politik zu erfahren. Ein tolles Museum.

Von New Bedford sind wir dann nach ein paar Tagen weiter durch den Cape Cod Kanal Richtung Cape Cod. Das war auch interessant, denn man hat den Kanal einfach durch die Halbinsel gestochen, ohne dass man ihn mit Schleusen versehen hat. So sollte man beim Durchfahren tunlichst auf die Gezeiten achten, denn dort stehen bis zu 4 Knoten Strom mit entsprechenden Verwirbelungen. So ist die Reise schnell, aber das Steuern auch anspruchsvoll. Jetzt ankern wir vor Provincetown im Norden der Halbinsel und das ist sehr, sehr schön hier. Aber davon dann später mehr.
Ahoi ihr Beiden, wieder interessante Eindrücke und schöne Bilder. Das Foto mit den Booten im Nebel gefällt mir besonders.
Ihr kommt ja nun immer mehr in Richtung Nordwest Passage. Die ist ja mittlerweile Eisfrei, oder ? Und ein bisschen Eis kann Sutje ja auch bestimmt ab. Na, nur Spaß. Genießt die Austern und die Fische und ich freue mich auf die nächsten Eindrücke und Fotos.
Bei uns war gerade ein paar Tage tropisches Wetter mit über 30 Grad. Liebe Grüße aus Bayern – Reinhard –
Wieder ein sehr schöner und ausführlicher Bericht. Hat Spaß gemacht zu lesen.
1. Habt ihr euch auch ein „Weißer Hai“ Kostüm gekauft und wo sind die Photos dazu?
2. Wenn New Bedford so portugiesisch ist, gab’s dort auch Pastel de Nata?
Hi Tobi,
Ad 1: nö, haben wir uns gespart.
Ad 2: es gab jede Menge Natas, portugiesischen Wein und auch sonst eine beeindruckende Menge portugiesischer Produkte.
ja, das Nebelbild ist wirklich fantastisch und Pfeilschwanzkrebse, da bin ich neidisch. Hier ist gerade die große Hitze durch und wir können wieder lüften. Gute Fahrt weiterhin!
Provincetown- toll, da bin ich mit Olli entlang geschlendert und fand’s einfach nur schön lässig dort. Gute Zeit euch dort.
Schön dass der Herd wieder tut, euch weiterhin viel viel Spaß!! Wir haben hier auch fliegende Krabben gesehen, aber ich hab keine Ahnung wie die heißen ☺️