Day Sailing in der Chesapeake Bay

Unsere Fahrt von Charleston nach Beaufort in North Carolina verlief zunächst recht zügig, am zweiten Tag dann aber eher schleppend.  Der Wind nahm stark ab und kam dann auch noch ungünstig direkt von hinten. Um schneller voranzukommen, haben wir unseren Parasailor gehisst. Leider ist es nicht so, dass man das Segel einfach hochziehen kann. Vorbereitend müssen alle Schoten ausgetauscht werden, neue, viel längere Schoten installiert werden und dann muss das ganze Segel auch noch aus dem Schiff an Deck gewuchtet und mit den neuen Schoten korrekt verknüpft werden. Dabei kann man viele Fehler machen und muss alles doppelt überprüfen. Wenn die 150qm Segel einmal falsch oben sind, hat man leicht ein echtes Problem. Der Umbau dauert zu zweit fast eine Stunde.

Viel hatten wir davon dann nicht. Wir konnten ihn nur drei Stunden nutzen und dann musste wegen erneuter Winddrehung das Ganze wieder runter. So schafften wir es leider nicht vor Dunkelheit nach Beaufort und haben uns entschieden, die letzten Meilen nachts ganz langsam zu segeln, um erst bei auflaufend Wasser und Helligkeit anzukommen und zu ankern. Ansonsten war die Fahrt ohne größere Zwischenfälle. Lediglich einer unsere Alarme, die Wasser im Schiff melden, tönte los. Es stellte sich dann aber schnell heraus, dass die Ursache kein Leck, sondern eine abgerutschte Schlauchverbindung unseres Süßwassersystems war. Wir liefen also von innen voll. Der Schaden war von Jan schnell behoben und so haben wir wenig von unserem kostbaren Trinkwasser verloren.

Bei Beaufort sind wir wieder in den Intra Coastal Waterway gegangen, um das berüchtigte Cap Hatteras bequem zu umgehen. Am Cap löst sich der Golfstrom von der amerikanischen Küste und fließt dann Richtung Europa. Von Norden kommen eine kalte Meeresströmung und auch oft bissige Winde. Das Ganze gibt eine unangenehme Gemengelage und man soll das Cap weit umsegeln. So haben wir dann lieber den inneren Weg gewählt. Das ging mit unserem Schiff nur knapp. Es gibt dort eine berüchtigte Brücke, die einen Fuß weniger Durchfahrtshöhe hat als alle anderen Brücken im Waterway. Wir haben das Schiff extra nochmal vermessen und Jan hat unser Licht und den Windmesser von der Mastspitze abgebaut.

Beaufort selbst war eine sehr nette Kleinstadt mit super schöner Natur. Wir konnten zwischen der Stadt und einer Insel, die Vogelschutzgebiet ist und viele Ibisse und auch eine Population verwilderter Pferde beherbergt, ein paar Tage ankern, bevor es dann weiter im Waterway ging. In der Stadt gab es Sonnabends sogar einen Markt. Davon waren zwar 95% Kunsthandwerk, aber fünf Stände mit lokalen Nahrungsmitteln waren auch vertreten und wir konnten uns gut mit Gemüse, Erdbeeren und Räucherfischcreme eindecken, bevor es weiterging.

Richtung Norden waren wir dann wieder in viel Natur unterwegs, in die nur ab und zu kleine verschlafene Ansiedlungen eingestreut waren. In diesem Teil des Waterways gibt es mehrere größere offenen Wasserflächen auf denen man dann auch gut segeln kann, die dann aber wieder durch längere schnurgerade Kanäle verbunden sind.

Der Tidenhub war nicht so hoch wie im südlichen Teil des Waterways zwischen Florida und Charleston. Aber wir mussten wegen wind- und regenbedingter Pegeländerungen und vor allem der spannenden Durchfahrt unter der besonders niedrigen Brücke natürlich auch hier genau beachten, wann und wie wir fahren.

Alles hat gut geklappt und wir haben auch die niedrige Brücke ohne Probleme passiert. Nicht mal die etwas längere Antenne ist angestoßen. Nach fünf Tagen mit etlichen Klapp-, Hub- und Drehbrücken waren wir dann durch und sind im Norden in Chesapeake angekommen. Dort konnten wir im Kanal zwei Tage kostenlos am öffentlichen Steg liegen und uns mal wieder etwas an Land bewegen. Danach gabs auf der Weiterfahrt noch einmal eine Schleuse und dann waren wir in der Chesapeake Bay, eine langgezogenen große Bucht, von der der Potomac abzweigt, wo es nach Washington geht und an deren nördlichem Ende Baltimore liegt.

Wir haben uns erstmal ein paar Tage in Hampton am südlichen Ende der Bucht in der Marina einquartiert, um wieder zu waschen, einzukaufen und zu putzen. Danach gab es dann für mehrere Tage wunderbares Day Sailing in der Bucht. Überall auf dem Weg gibt es gute geschützte Ankerplätze in kleinen Buchten und Flüssen. Der Wind war gut, in Teilen sehr böig, so dass Jan mal die Großschot aus der Hand gefahren hat, was man sonst auf einem Schiff unserer Größenordnung ja eher nicht macht. Auch bei starkem Wind ist die Welle überschaubar und man hat nicht das dauernde Geschaukel wie auf dem offenen Meer. Insgesamt also sehr angenehmes Segeln. Das Wetter hier ist wechselhafter als im Süden und weniger heiß.

Auf unserem Weg konnten wir ab und zu vom Ankerplatz auch an Land und haben ein paar Austern gesammelt, die ganz hervorragend waren. Interessant für mich waren auch die toten Pfeilschwanzkrebse, die wir am Strand gefunden haben. Diese „lebenden Fossilien“ kommen hier im Frühsommer zur Paarung bei Neu- und Vollmond an Land. Lebende haben wir bisher leider noch nicht gesehen. Das muss sehr eindrucksvoll sein.

Von Hampton aus haben wir fünf Tage gebraucht, um die Chesapeake Bay hoch nach Baltimore zu segeln. Recht eindrucksvoll waren beim Einlaufen die Reste der Brücke, gegen die letztes Jahr ein Containerschiff gefahren ist. Nur die riesigen Brückenpfeiler stehen noch, der Rest der Brücke ist abgebaut.

In Baltimore sind wir jetzt seit zehn Tagen in einer Marina im Innenhafen. Zunächst musste einiges organisiert werden. Unser super finnischer Dieselherd funktioniert leider nicht mehr. Es gibt aber glücklicherweise in Seattle eine Firma, die die Dinger wartet und so haben wir den ausgebaut, eine stabile Transportbox organisiert und den Herd auf die Reise an die Westküste geschickt. Er ist im Moment immer noch unterwegs und wo wir ihn auf unserer Fahrt dann wieder in Empfang nehmen können, wenn er sich denn reparieren lässt, ist noch vollkommen offen. Wir kochen jetzt auf einem kleinen portablen Gaskocher, den wir provisorisch kardanisch aufgehängt haben.

Baltimore selbst gefällt uns extrem gut. Ich hatte schon die Hoffnung, dass die Stadt sich als nett erweisen würde, aber sie ist noch viel besser als erwartet. Der Ruf ist nicht so gut und sie hat mit hohen Kriminalitätsraten zu kämpfen, aber wir fühlen uns hier sehr wohl. Gerade im Hafenbereich hat die Stadt nach dem Niedergang durch wirtschaftlichen Abschwung und damit verbundenen starken Bevölkerungsverlust viel investiert und dabei auch ein gutes Händchen gehabt.

Es gibt eine kilometerlange Promenade um den gesamten Innenhafen mit vielen Wohngebäuden, Hotels, Museen, Restaurants und öffentlichen Plätzen. Alles ist belebt mit bunten, gut gelaunten Menschen und die Stimmung ist super entspannt. Abseits dieser Hafencity gibt es tolle Wohngebiete, ein bisschen so wie in Bremen. Kleine Stadtreihenhäuser, oft aus rotem Backstein, oft liebevoll zurechtgemacht und mit viel Leben in den Straßen. Auch der öffentliche Nahverkehr ist super und man kommt mit dem Bus gut durch die Stadt.

Dabei sieht man dann aber auch die andere Seite der Stadt: ganze Straßenzüge unbewohnter oder zumindest nicht offiziell bewohnter, zugenagelter Häuser mit viel Müll. Da will man dann auch nicht aussteigen, fotografieren und eine halbe Stunde auf den nächsten Bus warten. Wir haben deswegen an dieser Stelle mal ein KI-Bild generiert, um den Eindruck zu vermitteln. Kommt der Realität sehr nahe.

Ganz besonders erfreulich war hier auch die Versorgungslage: Es gibt einen Laden mit erfreulicher Käseauswahl und vielen guten Weinen. Wir haben sogar einen Wein gefunden, den wir von unseren befreundeten Weinhändlern Doro und Norbert von Vinisüd in Erlangen kennen.

Von den vielen Dingen, die man sich hier so anschauen kann, haben wir uns zwei ausgesucht: einmal Museumsschiffe und einmal das American Visionary Art Museum.

Morgen soll es dann weiter gehen zum nördlichen Ende der Chesapeake Bay. Von dort führt ein 20 Meilen langer Kanal in den Delaware River, den wir runter Richtung Atlantik fahren. Danach geht es ca. 24 Stunden über die offene See, bis wir links nach New York abbiegen können.

4 Antworten auf „Day Sailing in der Chesapeake Bay“

  1. Wow! Spannend mal wieder! Danke!

    Nun erst mal viel Erfolg mit dem Kocher. Und dann gute Weiterfahrt… wir sind gespannt, wie es weitergeht.

    Liebe Grüße aus dem wettermäßig momentan sehr wechselhaften Flensburg,
    Klaus und Maren

  2. Herrlicher Bericht Ihr Beiden! Und mit Käse kommt man ja auch eine Weile durch wenn man nicht kochen kann. Hast du dieses polnische Ding noch, mit dem man schmoren bzw. backen kann?
    Ja dann wünschen wir euch eine gute weitere Reise und links abbiegen nicht vergessen 😀

  3. Super interessanter Bericht, besser als der „Weltspiegel“. Wenn Ihr noch einen Remoska braucht, ich habe noch einen zu vergeben. 😉 Lieben Gruß aus Berlin, Karin

  4. Hallo ihr Beiden , tolle Fotos wieder. Der eine Platz sieht fast ein wenig aus wie an der Gieselau Schleuse am NOK. Nur war Sutje da noch braun. Und an die Arbeit beim Setzen des Parasailor kann ich mich auch noch gut erinnern.
    Weiter gute Eindrücke und viel Glück bei der Kocher-Reparatur. Wir fahren übermorgen durch Finnland (da kam der doch her, oder ?). Wenn wir dort einen kaufen und schicken lassen sollen, gebt Bescheid. Wir fahren von Vaasa nach Turku.
    Fair Winds. Reinhard

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