Was für ein schöner Name für eine Insel, auf der man nach vier Tagen und Nächten auf See ankommt. Schon am frühen Morgen, noch 20 Seemeilen entfernt, tauchte die Insel langsam aus dem Dunst auf. Und auch, wenn man heutzutage mit GPS und Plotter beim Navigieren fast nichts mehr falsch machen kann, ist es ein schöner Anblick, wenn mitten im Ozean dann doch das angepeilte Ziel in Sicht kommt.
Noch weit draußen haben uns zwei Seeschwalben entdeckt, mehrfach umkreist und mit ihren metallischen Rufen begrüßt. Eine Gruppe Fleckendelfine schaute vorbei, aber denen waren wir zum Surfen zu langsam und sie zogen weiter. Und dann sind wir lange durch Portugiesische Galeeren gesegelt, die wirklich sehr schön sind, die ich aber leider noch nicht vernünftig aufs Bild bekommen habe. Wale, für die die Azoren ja bekannt sind, haben wir leider keine gesehen. Aber wir sind ja noch ein bisschen hier und werden auch andere Inseln besuchen und vielleicht haben wir auf den Überfahrten dann mehr Glück.
Zehn Meilen vor der Küste kam dann auch der Mobilfunkempfang, nachdem wir für vier Tage bis auf das Satellitentelefon offline waren. So konnten wir die Kommentare, die sich in der Offline-Zeit angesammelt haben, lesen und freischalten. Wir haben uns sehr gefreut, dass so viele von Euch in Gedanken bei uns waren.
Bis zwei Seemeilen vor der Hafeneinfahrt konnten wir segeln, erst dann schlief der Wind im Schatten der Insel ein. Beeindruckend war auch diesmal die Präzision der Törn- und Wetterplanung. Wir konnten fast die ganze Strecke über genauso segeln wie vorhergesagt.
Zur Mittagszeit sind wir dann in die kleine Marina von Vila do Porto eingelaufen. Hier war gerade Pause und auf Funk reagierte weder die Marina noch die Hafenbehörde, sodass wir erstmal dort festgemacht haben, was laut Hafenhandbuch der Besuchersteg ist. Falsch, der Steg ist für einen Charterkatamaran reserviert, aber macht nichts, nach der Mittagspause erschien ein sehr netter Marinero, der auch noch perfekt deutsch spricht und hat uns einen schönen Liegeplatz mit viel Ausblick zugewiesen. Hier gibt es eine sehr aktive kleine Fischereiflotte und man hat immer was zum Schauen, wenn man so in der Plicht sitzt.
Größere Fischkutter gehen hier auf Thunfischfang und landen beträchtliche Mengen an, die an den Schwanzflossen zu Bündeln von fünf oder sechs Fischen aus den Schiffen gekrant werden. Beeindruckend, denn die Thunfische werden mit Angeln gefangen und nicht mit Netz. Nach dem Löschen der Ladung werden die hübschen Kutter ausgiebig geschrubbt und die Wäsche gewaschen und wie bei uns an Deck zum Trocknen aufgehängt. Offensichtlich lebt man an Bord.
Auch in kleinen, offenen Holzbooten gehen ein oder zwei Mann Besatzung auf Fang und schaufeln nach Rückkehr dann fässerweise kleinere Fische aus ihren Minikuttern. Alles wird direkt hier am Hafen in einer kleinen Halle weiterverarbeitet und so bilden die Kräne und der Gabelstapler neben den vielen Seeschwalben die charakteristische Geräuschkulisse. Und bei all der Aktivität wird viel und regelmäßig Pause gemacht und man trifft sich in der kleinen, sehr netten Hafenbar, die von 7 bis 22 Uhr offen und meist auch voll ist. Es ist also immer was los.
Und dann ist noch der nette kleine Grillplatz erwähnenswert. Aus Dänemark ist man so etwas ja gewöhnt und so hatten wir in der Annahme, das gäbe es häufiger, unseren kleinen tragbaren Grill mitgenommen, aber hier ist in der Tat die erste Marina mit Grillplatz. Den haben wir dann auch gemeinsam mit Bernd von der Hullu Poro schon ausprobiert und das lokale Rindfleisch gegrillt. Santa Maria ist nämlich die Fleischinsel der Azoren. Auf allen anderen Inseln wird Milchvieh gehalten, aber hier grasen überall hübsche, kräftige Fleischrassen auf den Hängen.
Vila do Porto, der Hauptort, der auf einer Klippe über dem Hafen mit einer alten Befestigungsanlage beginnt und sich dann entlang von zwei Straßen den Hang hinaufzieht, ist schnell ausgekundschaftet. Es gibt zwei Supermärkte, zwei!! Apotheken, drei!!! Farbenläden und diverse Läden mit gemischtem Portfolio, sodass die wesentlichen Bedürfnisse der 5000 Einwohner von Santa Maria abgedeckt werden. Eine moderne Markhalle für den Mercado Municipal wurde auch errichtet, aber die meisten Läden dort sind die meiste Zeit geschlossen oder gar nicht belegt. Es ist also alles sehr überschaubar, aber zu Stoßzeiten sehr belebt, denn der Ort ist die einzige echte Versorgungsmöglichkeit der Insel.
Der Lebensstandard ist für die geringe Zahl an Einwohnern recht hoch, wohl vor allem wegen der vielen hier angesiedelten Fluglotsen. Die Amerikaner hatten hier Ende des zweiten Weltkriegs einen Riesen-Flugplatz gebaut und Santa Maria war bis in die 80er Jahre Tankstopp für die Transatlantikflieger. Mit größerer Reichweite wurde der Flugplatz als Zwischenstopp dann obsolet und Santa Maria versank wieder in Ruhe, aber wir haben gelernt, dass auch heute noch der gesamte Nordatlantikverkehr durch Fluglotsen geregelt wird, die hier stationiert sind. Die wollen natürlich auch irgendwas konsumieren.
Trotzdem ist hier alles sehr, sehr bodenständig. Ein paar wenige Bars, deren funktionale Einrichtung meist den Charme einer Bahnhofsmission versprüht, dienen ganztägig als Treffpunkt für Kaffee und Bier und haben meist auch etwas zu essen, was man in der Regel erfragen muss. Bebilderte Speisekarten auf Stellwänden, Straßenmusiker mit Panflöte vor den Bars oder gar Leute, die einen ansprechen und in die Lokalität schleusen wollen, haben es bis auf dies entlegene Eiland bisher noch nicht geschafft. Und so verläuft hier alles ganz beschaulich. Dafür wird man nach einer Woche im Ort sogar schon vom hiesigen Vertreter der GNR (portugisischen Sicherheitspolizei, die auch den Seeverkehr kontrolliert) gegrüßt, wenn er mit dem Truck vom Hafen in den Ort fährt. Und wenn man ein Auto mietet, kann man das nach Nutzung einfach samt Schlüssel offen am verabredeten Ort stehen lassen. Das wird dann dort abgeholt.
Santa Maria soll die Sonneninsel der Azoren sein. So ganz merkt man das noch nicht. Seit wir hier sind, ziehen in stetigem Strom niedrige Wolken aus Nordost über die Insel und verlieren ab und zu Wasser. Es nieselt jeden Tag mehrmals. Manchmal regnet es auch kurz. Aber eigentlich wird man nie nass. Es lohnt sich zumindest nie, etwas überzuziehen. Die Temperaturen sind ausgesprochen angenehm und wenn die Sonne ein Loch findet, wird es schnell wieder sehr warm. So kann man also dauerhaft in T-Shirt und kurzer Hose die Sommerfrische genießen, ohne ständig nach Schatten suchen zu müssen. Und dieses Klima sieht man der Natur dieser kleinen Insel auch an.
Üppige, saftige Wiesen, mit ihren charakteristischen Steinmäuerchen beherrschen die hügelige, offene Landschaft, die immer wieder von Hecken durchzogen und mit Baumgrüppchen bestückt ist – das reinste Auenland. An den Hängen des fast 600 Meter hohen Pico Altos finden sich dann aber dunkle, nasse Wälder aus der Japanischen Sicheltanne, die zur Holzgewinnung eingeführt wurde. Die Bäume stehen beeindruckend dicht, so dass fast kein Licht mehr auf den bemoosten Boden dringt. Es gibt aber an der Nordküste auch noch sehr schönen, ursprünglichen Nebelwald aus Baumheide und Lorbeer, mit Bächen, Wasserfällen und viel Vogelgezwitscher.
Und immer wieder kommt man beim Wandern durch tief eingeschnittenen Hohlwege, an, deren Wänden sich Wurzeln und Stämme entlangwinden, als wollten sie einen gleich umschlingen. Wenn man hier unterwegs ist, kann man sich wirklich einbilden, es kommt gleich eine Gruppe von Hobbits, Elben und Zwergen um die nächste Ecke.
Die Wanderstruktur ist auf Santa Maria ausgesprochen gut ausgebaut, beschildert und sehr gut instandgehalten. Aber es ist alles doch so klein und abseits der Hauptreiseziele, dass man meist den ganzen Tag allein unterwegs ist. Eine Rundwanderung auf den Klippen um die Insel führt einen in vier bis fünf Tagen durch alle spannenden Landschaftsformen und auch immer mal wieder in Abstechern runter an die Küste. Man kann entlang der Strecke auch sehr schöne Hütten buchen. Die sind zwar unbewirtschaftet und haben auch keine Küche, aber auf Wunsch wird Essen geliefert und Gepäck transportiert. Das finde ich ein sehr gutes Konzept. Für eine Wanderwoche können wir die Insel jedenfalls absolut empfehlen.
Und dann sind da natürlich die Blumen. Madeira ist ja die Blumeninsel, aber das hier übertrifft Madeira bei weitem. Die ganze Insel ist eigentlich ein Park. Überall an den Straßenrändern blühen die absolut dominanten blauen Hortensien. Die gehören ursprünglich zwar auch nicht hier auf die Inseln, aber es ist trotzdem einfach wunderschön und man kann sich dem Charme nicht entziehen. Ganz besonders hübsch wird es, wenn sich dann ab und zu noch die knallig orangen Montbretien dazu gesellen. Aber es gibt auch viele andere schöne Blütenpflanzen, die ihre Farbtupfer in die Landschaft setzen.
Und dazu kommt dann noch das Farbschema der Orte. Jede Gemeinde hat ihre charakteristische Farbe, mit der die Fenster und Türen der ansonsten meist weissen Häuser umrahmt werden – und auch sonst alles, was man anmalen kann, wie Zäune, Pfosten, Treppen, Bushaltestellen etc.. Das verstärkt nochmal den Eindruck einer Parklandschaft; es macht jedenfalls den Eindruck als wären sich die Bewohner dieser schönen Insel ihrer Schönheit auch sehr bewusst und würden diese auch noch herausarbeiten. Alles gefährlich schön mit Suchtfaktor!
Oh, das klingt wirklich nach „Suchtfaktor“. Bezeichnend, dass die mehr Farbenläden als Apotheken brauchen… spricht für das Leben da.
Vielen, vielen Dank für den fesselnden Bericht!
Habt (weiter) eine mega tolle Zeit!
Alles Liebe
Eure Eutiner
Wie gut zu hören, dass ihr gut angekommen seid.
Vielen Dank für den tollen Bericht und die fantastischen Bilder.
Es weckt in uns die Sehnsucht nach einem überschaubaren Inselleben mit Regen!! Bei uns herrscht Trockenheit und die nächste Hitzewelle kommt in ein paar Tagen. Wir haben vor einiger Zeit eine Reportage über die Azoren gesehen und jetzt kommen eure ganz persönlichen Eindrücke dazu, wirklich ein Sehnsuchtsort. Wir freuen uns auf weitere Berichte.
Liebe Grüße aus Erlangen
Doro und Norbert
Vielen lieben Dank, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt uns solch einen tollen Bericht zu schreiben!
Liebe Grüße aus München,
weiterhin eine schöne Zeit!
Beate