Segeln ist (k)ein Vergnügen

Seit einer Woche bin ich nun wieder im herbstlich grauen Bayern. Ich war nach der Überfahrt von Portugal nach Lanzarote und dem Zwischenstopp auf der Insel La Graciosa  noch zwei Wochen mit Jan und Petra auf Lanzarote. Wir haben dort jedoch so viel unternommen, dass ich die zwei / drei Stunden Zeit nicht gefunden habe um an diesem Beitrag zu arbeiten. Das hole ich nun von zu Hause aus nach und will, wie beim letzten Törn, meine Eindrücke von der Überfahrt schildern. 

Wie beide schon geschrieben haben, waren die letzten Tage in Olhao und auf der Insel Culatra super entspannt. Flip-Flop Wetter, ein kilometerlanger Sandstrand auf der Insel und ein geschütztes Ankerfeld in der Lagune zwischen Olhao und der Insel. Der einzige Wermutstropfen war, dass man zwischen den Booten nicht schwimmen konnte, da die Inselbewohner und die Fischer mit ihren Booten tagsüber mit Vollgas zwischen den Segelyachten durchgebrettert sind. 

Nach einem abenteuerlichen Start durch den Gezeitenstrudel in der Ausfahrt der Lagune kamen wir westlich der Straße von Gibraltar sehr bald in einen ordentlich hohen Swell. Das Boot schaukelte in den 3 bis 4 Meter Wellen hin und her und leider wurde der Wind immer schwächer, der Swell aber nicht. So mussten wir in der ersten Nachthälfte die Segel bergen und unter Motor weiter fahren. Insbesondere das Einpacken des Großsegels ist bei solch wackligen Bedingungen eine ziemliche Turnübung. Wie sieht so etwas aus: Petra steuert das Boot in den Wind, damit kein Winddruck im Großsegel ist, Jan und ich stehen auf jeweils einer Seite des Baums und versuchen das Segel möglichst zügig in den Lazybag (Segelsack am Großbaum) zu Falten, Stopfen, Verstauen. Wir sind dabei zwar mit unseren Sicherheitsleinen nach unten am Decksboden in der sogenannten Streckleine eingepickt, müssen uns aber trotzdem wie die Affen am Baum festklammern, um nicht auf Deck oder über Bord geworfen zu werden. Danach ist jedenfalls der Puls aus Anstrengung und Angst zu stürzen deutlich im roten Bereich. Und dann wird die Schaukelei ja nicht weniger, da unter Motor das stabilisierende Moment der Segel fehlt. Das Boot schaukelt also noch mehr. Für mich war das dann eine schlaflose Nacht und auch Jan und Petra als „alte“ Seehasen waren nach einigen Stunden so zermürbt, dass sie wörtlich meinten:

Petra: „Um das mal klarzustellen: Segeln ist definitiv kein Vergnügen…..“ 

Jan: „Wenn das so weiter geht, hänge ich die Segelei an den Haken und verschenke das Boot ….“

Ihr seht, das war anstrengend.

Am nächsten Tag wurde mit dem Tageslicht die Stimmung aber wieder besser, der Wind nahm zu, wir konnten die Segel wieder setzen und den Motor ausstellen. Wir hatten zwar noch immer hohe Wellen, aber doch einen guten Segeltag bei Vorwindkurs und auch die darauf folgende zweite Nacht war passabel, sprich, wir konnten in der Freiwachezeit jeweils etwas schlafen.

Die dritte und vierte Nacht waren allerdings wieder sehr anstrengend, wie Petra schon geschrieben hat. Das Schiff rollte ununterbrochen von einer Seite auf die andere, alles schepperte und klapperte , manches flog quer durch den Salon und Schlafen war nur in homöopathischer Dosis möglich. Um nicht in der Koje hin und her geworfen zu werden, musste ich mich verkeilen – eine Hand gegen den neben mir liegenden Segelsack vom Parasailor und die Füsse oder Schulter an der gegenüber liegenden Bordwand. Ziemlich unbequem. So kamen in den zwei Nächten keine 3 Stunden Schlaf zusammen. Wegen des Schafmangels musste ich mich dann schon zusammen nehmen, um nicht ein „ist mir eh alles egal“ Gefühl zu entwickeln.

Wir hatten ja recht ordentlichen Wind von achtern (in Böen bis 27 kn) und kamen damit , zwar rollend und stampfend, aber schnell voran. Am fünften Tag vormittags kam Land in Sicht und nach ein paar weiteren Stunden konnten wir dann in einer schönen Bucht vor der Insel La Graciosa den Anker werfen. Jetzt war erst einmal zwei / drei Tage Regeneration mit Schlafen, Schwimmen, Spazieren und Nichts Tun unser Tagesprogramm.

Der Wechsel von mehreren anstrengenden Tagen auf See, zu der sonnigen Vulkaninsel mit Ihren vielen Farbtönen war für mich einmal wieder, wie das Ankommen im Paradies. Sonne, Sandstrand, Badewasser mit vielen Fischen (habe sogar zweimal einen Baracuda unter mir gesehen) waren das totale Kontrastprogramm. Petra meinte zwar zum Paradies fehlen noch Bäume, insbesondere ein Apfelbaum…. Mmmmh, ich dachte die Geschichte mit dem Apfelbaum und dem Paradies ging ja bekanntlich nicht gut aus und so war ich mit dem Paradies ohne Grün vollständig glücklich – Petra befand es dennoch nur „eindrücklich“. Wir haben das dann nicht zu Ende diskutiert 🙂

Nach vier entspannten Tagen sind wir dann in einer schönen Tagestour an die Südseite von Lanzarote gesegelt. Jan und Petra hatten einen Liegeplatz in der (Tip Top-) Marina Rubicon reserviert und von dort haben wir mit einem Mietwagen die Insel in den nächsten beiden Wochen erkundet. 

Lanzarote hat, wie Graciosa, sehr wenig grüne Ecken. Aber es gibt trotzdem vieles sehr Beeindruckendes zu erkunden. Insbesondere die Lavafelder im Nationalpark Timanfaya und die Vulkankegel sind wie aus einer anderen Welt. Meine Vorstellung von der Marsoberfläche stammt aus dem Kino („Der Marsianer“). Die ist lieblich im Vergleich zu den rauen und schwarzen Lavaschlacke-Feldern im Timanfaya. Wandern ist dort nur auf angelegten Pfaden möglich. Durch die Schlacke-Brocken ist kein Durchkommen.

Ganz im Norden der Insel hat man einen tollen Blick auf die Insel La Graciosa und „unsere“ Ankerbucht. Und es gibt auf Lanzarote sehr schöne Sandstrände mit wunderbar klarem Wasser zum Baden und Schwimmen.

Für mich waren diese vier Wochen ein tolles Erlebnis und ich weiss nun, das ich einigermassen seefest bin und dass Atlantikwellen noch mal eine andere Kraft als Ostseewellen haben können.

Und ich weiss, dass nach ein paar anstrengenden Tagen ein Paradies nicht einmal Bäume braucht.

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