St. Vincent und die Grenadinen – Karibik pur

Auf St. Vincent und den dazugehörigen Grenadinen zeigt die Karibik sich in ihren Extremen. Traumhafte Inselchen mit weißen Stränden, umgeben von türkisem Wasser und geschützt durch vorgelagerte Riffe bieten optimale Schnorchelparadiese. Privatinseln der Superreichen und Ressorts, in denen die Nacht in der preiswertesten Kategorie bei über 1000 US Dollar liegen, kontrastieren mit extremer Armut unter der einheimischen Bevölkerung. Aus diesem Grund haben einige Ecken von St. Vincent und auch der Grenadinen was die Sicherheit anbelangt einen eher schlechten Ruf unter Seglern. Immer wieder hört man von Diebstählen oder Boat Boys, die einen absichtlich in eine Schwimmleine führen und dann 1000 Dollar für ihre anschließende Hilfe beim Freibekommen der Schiffsschraube kassieren. Aber die Schönheit will man sich ja auch nicht entgehen lassen.

Wir haben von St. Lucia kommend gleich die erste Möglichkeit auf St. Vincent einzuklarieren genutzt. Die Bucht mit dem schönen Namen Chateaubelair und dem eher schlechten Ruf, was ihre Sicherheit anbelangt. Wie erwartet wurden wir gleich von zwei Boat Boys empfangen, die uns den optimalen Platz fürs Ankern gezeigt haben. Nette Jungs, die sich über ein paar karibische Dollar und ein kühles Bier gefreut haben. Weitere Dienstleister kamen natürlich auch gleich. Alle mit einfachster Ausrüstung, Surfboard mit Stechpaddel, die Stange meist aus Holz. Wir haben Fisch und Mangos erworben und die Leute waren alle extrem freundlich und alles war sehr fair im Preis. Einen dieser Dienstleister hat Jan noch mit dem Dinghy umhergefahren, damit er seine Waren anbieten kann, weil er keinen schwimmenden Untersatz hat. Er hat zwar ein Gummiboot, aber das ist undicht und auch nicht zu kleben. Jetzt will er mithilfe von Glasfasermatten ein Festboot daraus machen. Epoxy hat er schon, die Matten fehlen noch. Das Projekt wird sicher nie was. Aber selbst mit brauchbarem Boot kann man sich fragen, ob das Geschäft mit den paar Seglern tragfähig ist.

In der Bucht lagen tagsüber nur eine Handvoll Boote und das Immigration-Office in Chateaubelair scheint auch nicht so stark frequentiert. Aber der Officer wohnt über seinem Büro und kann sich bei geringer Auslastung die Zeit zumindest angenehm gestalten. Gegen Abend haben sich dann fast alle Schiffe aufgemacht und sind weitergefahren. Nur wir und ein Norweger sind geblieben. Vielleicht hätten wir dann auch weitergemacht, aber wir kannten den Norweger schon von Martinique und ein kurzer Plausch mit ihm hat uns ein gutes Gefühl gegeben. Er lag da schon seit ein paar Wochen und fand es dort super. So sind dann auch wir mit einem guten Gefühl über Nacht geblieben.

Wir waren aber auch gegen Gelegenheitskriminelle vorbereitet. Die ersten Informationen haben wir bereits 2019 bei einem Seminar zur Piraterieprävention der Bundespolizei in Neustadt/Holst. bekommen, das dort regelmässig, kostenlos und mit sehr viel Engagement durchgeführt wird. Aus dem Seminar hatten wir z.B. mitgenommen, dass Waffen aller Art kein adäquates Hilfsmittel sind, da im Zweifelsfall die Angreifer bessere Waffen haben oder besser damit umgehen können. Also haben wir uns darauf konzentriert, es Dieben und Einbrechern so schwer wie möglich zu machen.

Unser Dinghy wird, wann immer es geht, mit einer Edelstahlkette irgendwo gesichert, Aussenborder und Benzintank sind mit eigenen Schlössern ausgestattet. Abends wird zudem das Dinghy immer hochgezogen und mit der Kette an die Sutje geschlossen.

Ausserdem haben wir uns von einem Schlosser Edelstahlgitter machen lassen, mit denen man Niedergang und Decksluken sichern kann und trotzdem Frischluft ins Schiff bekommt. Auch läßt sich unser Steckschott – was nicht auf allen Booten so ist – von innen verriegeln. Wenn man das nicht hat, muss man das Steckschott von aussen absperren und dann durch ein Luk wieder ins Schiff krabbeln. So fühlen wir uns – zumindest gegen Kleinkriminalität – ganz gut gewappnet.

Es gibt eine sehr gute Webseite, die entsprechende Vorfälle in der Karibik erfasst. Man kann dort sehr schön sehen, welche Vorfälle es wann in welcher Bucht gegeben hat. So kann man sich vorab gut informieren, auf was man sich einlässt.

Interessanterweise sind die allermeisten Vorfälle Diebstahl von ungesicherten Dinghys, die abends einfach ans Schiff getüddelt sind, oder Diebstahl in nicht abgeschlossenen Booten. So etwas lässt sich zumindest leicht vermeiden. 

Am nächsten Tag sind wir weiter zur Keartons Bay. Dort betreibt Rosi gemeinsam mit Orlando einen TO-Stützpunkt. TO steht für Trans Ocean, ein deutscher Verein von Langfahrtseglern, der auf der Welt verteilt Ansprechpartner für die Segler hat. Bei Rosi kann man an eine Mooring gehen, wenn man abends bei ihr isst und sie vermittelt einem auch gerne lokale Tourguides.

Wir haben sehr gut bei ihr gegessen, einen netten Schnack gehabt und auf ihren Rat hin eine schöne Tour mit Gary zum Vermont Nature Trail gemacht. Wie auch Octavius auf St. Lucia, war Gary außerordentlich pflanzenkundig und wir haben viel über die lokalen Heilpflanzen und deren Anwendung erfahren. Das scheint ein wesentlicher Aspekt der Rasta Religion zu sein.

Kearton Bay hat auch einen sehr belebten Strand. Wir waren dort übers Wochenende und es war immer was los. Morgens kommen die Einheimischen zum ausgiebigen Baden. Tagsüber war die Dorfjugend jeden Alters dort unterwegs und eine Gruppe Dorfbewohner hat Mooringblöcke aus Beton gegossen. Die Jugend kam schwimmend oder auf dem Surfboard paddelnd zu uns ans Boot und auch bei jedem Landgang mit dem Dinghy kamen einige Jungs und halfen tragen. Man sollte dafür immer ein paar Karibik Dollar in der Tasche haben. Am größten war die Freude aber bei Schokoriegeln, da haben die Augen geglänzt. Auch krass, wenn man bedenkt, dass auf der Insel ja viel Kakao angebaut wird. Aber das geht eben zur Veredelung woanders hin und das Endprodukt ist für Einheimische in der Regel nicht erschwinglich.

Highlight jeder Insel ist natürlich auch die Tour mit dem öffentlichen Bus zur jeweiligen Hauptstadt. Unterhaltsam und rasant wird man die Serpentinen entlanggeschaukelt und versucht der Fliehkraft standzuhalten, um nicht beim Nachbarn auf dem Schoss zu landen. Da St. Vincent schon sehr arm ist, war unsere Erwartung an Kingstown nicht hoch, und so wurden wir sehr positiv überrascht. Die Stadt hat eine gute Bausubstanz und viele Häuser haben schattenspendende Arkaden, unter denen man angenehm schlendert. Wie überall gab es viele nette Garküchen und gute Marktstände. Am meisten hat uns der Fischmarkt beeindruckt. Seit der Abreise von den Kanaren haben wir hier das erste Mal wieder Fisch auf Eis gesehen. Auch damit hatten wir hier am wenigsten gerechnet.

Eigentlich wollten wir auf St. Vincent gerne noch den Vulkan im Norden besteigen, aber eine Wetterlage mit zu viel tiefen Wolken hat uns dann davon abgehalten. So sind wir dann weiter Richtung Grenadinen, die ja zu St. Vincent gehören, aber eine ganz andere Welt sind.

Südlich von St. Vincent kommt zunächst nach ein paar Meilen Bequia (sprich Begway). Hier ist alles recht royal. In der Bucht von Port Elizabeth kann man schön vor dem Princess Margaret Beach ankern. Ein Traum für Segler: Ankern ohne Schwell, klares Wasser, schöne Strände, prima Schnorcheln, gute Verproviantierung und viele Bars und Restaurants. Dementsprechend sind wir dort auch ein paar Tage hängengeblieben, haben nochmal das Unterwasserschiff geputzt, eine nette Wanderung auf den Mount Peggy Peak gemacht und mit Barbara und Stefan Langusten gegessen, die Stefan auf der Nova ganz ausgezeichnet gegrillt hat.

Von Bequia sind wir dann weiter zu den Tobago Keys – Karibik aus dem Bilderbuch. Auf der Überfahrt hatten wir die Schleppangel draußen und auch mal Erfolg! Ein schöner Gelbflossenthunfisch, der in ausgenommen 2,7 kg hatte und 1 kg Filet lieferte. Das gab dann drei leckere Mahlzeiten und natürlich schönen kräftigen Fischfond.

Aber zurück zum Bilderbuch. Die Keys sind Miniinseln, die von einem Riff umgeben sind. Man liegt hinter dem Riff also direkt am Atlantik, aber schön ruhig. Das Gebiet steht unter Naturschutz, aber man darf dort Ankern, Schnorcheln und auch Kiten und über Nacht bleiben. Zum Schnorcheln sind die Keys ein Paradies. Am berühmten Turtle Beach kann man den Meeresschildkröten ganz nah kommen, man muss fast aufpassen, nicht mit ihnen zusammenzurempeln. Die Tiere grasen vollkommen entspannt im flachen Wasser die Seegraswiesen ab und schweben beim Luftholen direkt an einem vorbei. Und das an alles Seiten. Ein tolles Erlebnis. Auch sonst kan man an den verschiedenen Ecken der Keys super schnorcheln und wir haben einiges gesehen. Für mich war die Begegnung mit einem Stachelrochen am aufregendsten. Nur wenige Meter vom Strand entfernt war ich entlang eines Korallenstocks unterwegs, als sich im klaren Wasser plötzlich eine enorme Sandwolke vor mir bildete. Aus der Mitte wölbte sich langsam ein dunkler Hügel hervor und dann konnte man die Kontur des Rochens erkennen. Beeindruckend. Ich hab zugesehen, dass ich ein wenig Abstand bekomme und bin flott Richtung Strand geschwommen. man weiß ja nicht, ob man als Bedrohung empfunden wird und will das auch nicht provozieren.

Beeindruckend war auf den Keys auch die Verpflegung für die Yachties. Es gibt dort keine sonstigen Unterkünfte, keine Hotels, kein fließend Wasser, keinen Strom und es wohnen dort keine Einheimischen. Trotzdem gibt es jeden Abend BBQ Dinner für viele Segler. Unter einem großen, von der Parkverwaltung erbauten Pavilion-Dach gibt es 5 Kochstände, wo die verschiedenen Anbieter Lobster, Ribs, Chicken etc. grillen. Wir wurden bei Ankunft von Michael und Coco für ein Dinner akquiriert. Das war sehr lecker, es gab gegrillte Ribs und Lambi, eine Art von Gulasch aus der Conch-Schnecke. Super lecker. Der Abend endet immer sehr früh, da die Einheimischen in ihren offenen Booten im Dunkeln nach einem langen Arbeitstag noch über die Riffe die vier Seemeilen zurück nach Union Island knattern müssen.

Wir sind vier Tage auf den Keys geblieben, aber irgendwann ist dann auch die Zeit im Schnorchelparadies abgelaufen und man zieht weiter. Der Müll will entsorgt werden und frisches Obst und Gemüse muss eingekauft werden. Wir haben uns die paar Seemeilen nach Union Island unter Vorsegel gemütlich hinschaukeln lassen und sind in bei Clifton vor Anker gegangen. Hier waren die berüchtigten Boat Boys mit der Schwimmleine, aber wir haben nur gute Erfahrungen gemacht. Ein geschäftiger Ort mit viel Leben an Land und auf dem Wasser und alle waren super nett. Es gab sogar eine Kneipe mit einem guten Pool Tisch, den man kostenfrei bespielen durfte. Und wir haben Herman the German getroffen, der jeden anquatscht und glücklich ist, wenn er deutsch reden und von seinen Segelerlebnissen auf dem Bodensee berichten kann. Anschließend schickt er einen zu seiner Mutter, die auf dem Markt einen Obststand betreibt.

Tags waren viele Boote vor Clifton zum Ein- und Ausklarieren, weil Union Island die letzte zu St. Vincent gehörende Insel ist und dann südlich mit Carriacou schon Grenada beginnt. Nachts lagen wir wie schon in Chateaubelair wieder fast alleine, aber auch hier haben wir uns wohl gefühlt. Insgesamt fanden wir St. Vincent und die Grenadinen sehr schön und können den teils schlechten Ruf so gar nicht bestätigen. Die Vincentianer sind super nett und sehr herzlich und immer hilfsbereit.

2 Antworten auf „St. Vincent und die Grenadinen – Karibik pur“

  1. Hi ihr 2
    Das war mal wieder ein unterhaltsamer Bericht.
    Nun gehts langsam Richtung Endspurt .
    Gute Reise weiterhin
    Liebe Grüße Sabine

  2. Ja, wirklich spannend, du sprichst mir aus der Seele, liebe Sabine … schade, dass es im Sommer und Herbst dann eine Sendepause von unseren Auslandskorrespondenten gibt… hatte mich schon soooo daran gewöhnt, diese Berichte aus der großen weiten Welt zu lesen. Umso mehr habe ich einmal wieder auch diesen Bericht (und die Fotos!) genossen.
    Alles Gute!
    Maren

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